2016 starben die Stars wie die Fliegen. 2017 die Velo-Magazine.

Es gehen immer die Falschen viel zu früh. Letztes Jahr war das besonders heftig, als Leute wie David Bowie, Prince oder Leonard Cohen starben. Dieses Jahr nun scheinen die Zeitschriften mit dem Thema Fahrrad an der Reihe zu sein. Weil es von ihnen viel weniger gibt als Stars, die den Namen verdienen, sind es auch weniger, die das Erscheinen eingestellt haben. Umso schwerer wiegt aber ein solcher Verlust.

Früher in diesem Jahr hatte ich herausgefunden, dass das unregelmässig erscheinende und darum irgendwie gar nicht zu den Magazinen zählende The Ride Journal nicht mehr erscheinen würde. Ich hatte ab und zu eine alte Nummer in einem Veloladen gefunden und gekauft, aber immer nur in kleinen Dosen gelesen. Es war jeweils ein wunderschön gemachtes, betörend nach Druckerfarbe duftendes, schweres Buch gewesen. Artikel waren es nicht, die da drin abgedruckt waren, auch keine Reportagen. Eher Geschichten, meist sehr persönliche. Die pdfs, die auf der Website verfügbar bleiben, sind nur ein schwache Trost, denn sie duften nicht und wiegen nichts. Und bitte verwechselt The Ride Journal nicht mit dem Schweizer Ride, ja? Die sind wie ein Ohrensessel und eine Kloschüssel: beides hat seinen Zweck, aber das andere macht bedeutend mehr Spass als das andere.

Bicycle Times, ein US-amerikanisches Magazin mit Schwerpunkt Pendeln und Reisen, verschickte irgendwann vor dem Sommer nach seiner Nummer 47 nur noch das Schwesterblatt und Mountainbike-Magazin Dirt Rag, ohne ein Wort der Ankündigung. Erst auf eine Reklamation beim Verlag hin wurde mir beschieden, dass Bicycle Times nur noch eine Website sei. Hätte der Verlag nicht bereits früher einmal das Produkt verwechselt und mit einmal Dirt Rag untergejubelt – wie schwierig kann es sein, alle zwei Monate das richtige von zwei Produkten im Lager an die rechte Adresse zu schicken? – hätte ich jetzt eine Sammlung von der ersten bis zur letzten Nummer, was mir sicher viel Geld einbringen könnte. Aber pfeif drauf. Es kam nämlich noch schlimmer. Viel, viel schlimmer. Donald-Trump-wird-Präsident-schlimmer.

Als ich letzte Woche über Instagram erfahren hatte, dass die Nummer 20 von Boneshaker erschienen ist, verlängerte ich ohne Zögern mein Abo voller Freude sofort um die grösstmögliche Anzahl Ausgaben – zwei. Das tat ich im Zug, auf meinem Smartphone, was ich sonst nie mache. Natürlich hätte ich das Heft auch bis an mein Lebensende abonniert, bloss hätte ich mich da nicht festlegen wollen. Wer Boneshaker kennt, versteht, weshalb ein Abo immer nur auf zwei oder drei Ausgaben hinaus möglich ist. Das sind Künstler und Freaks im besten Sinn, die das Heft machen, keine Redaktion und kein Verlag. Vertreiben tut es so ein Internet-Kiosk. Die Macher  können sich nicht auf Monate hinaus festlegen, indem sie ihren Kunden Hefte versprachen, die sie nicht würden liefern können, weil ihnen ein anderes Projekt über den Weg gelaufen ist, aber kein Geld. Und im Gegensatz zu anderen Magazinen haben sie kein Schwesterblatt zum Verschicken…

Vor einer Stunde nun, als ich für diesen Post das Cover herunterladen will, sehe ich auf der Website die Nachricht, dass das Heft nicht mehr erscheinen wird. Nie mehr, obwohl gewisse Formulierungen noch ein Hintertürchen offen zu lassen scheinen. Irgendwas werde ich wohl schon kriegen für das Geld, das ich für das Zweinummern-Abo nach England geschickt habe, aber es wird nie im Leben so viel Wert haben wie zwei weitere Nummern von Boneshaker. Auch hier sind die pdfs, die zum Download bereitstehen, nur ein äusserst kleiner Trost. Das weiss, wer schon mal ein druckfrisches Heft in der Hand gehalten hat. Ebenfalls ein sinnliches Erlebnis, von der Nase über die Augen und Ohren (ich lasse gerade die Seiten über meinen Daumen rauschen) bis in die Fingerspitzen. Sagte ich schon dass es nur ganz wenig Werbung und schon gar keine Materialtests oder Tourenbeschriebe in dem Heft hatte?

BS20-Cover-ganz

So, und nun geh ich und plündere in meiner Trauer den Shop auf der Website. Der sieht nämlich nicht aus, als ob er noch lange weitergeführt würde. Und erwartet in den nächsten Tagen keine weiteren Posts von mir. Um moralisch wieder auf die Beine zu kommen, kann ich im Moment nämlich nicht mal vernünftig Rad fahren, weil Schnee und Streusalz was dagegen haben. Vielleicht fette ich stattdessen meinen Sattel. Das könnte ein kleines bisschen helfen.

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