Kürzlich kam mir ein bloss halbwegs Bekannter jovial mit folgendem Statement:“Ihr Velofahrer seid ja sicher glücklich mit diesem Winter, nicht?“ (Für die Nachwelt, wenn dieser Post in ein paar Jahren oder Jahrzehnten irgendwo auf einem Bildschirm auftauchen wird: Der Winter 2022 / 2023 hat sich mit milden Temperaturen und wenigen, überwiegend regnerischen Niederschlägen ausgezeichnet. Alle rätselten, wie das wohl gekommen sei.) Ich konnte ihm nur halbwegs beipflichten. Gewiss liess die novemberhafte Witterung ab und zu eine Velofahrt in den Wald, zum Supermarkt oder ins Büro zu. Wer aber zu seinem Velo und seinen Knochen Sorge trägt, liess das Rad dennoch meistens stehen wegen dem perfiden Salzwasser oder den hinterhältigen Reif-Patches an den unmöglichsten Stellen. Oder schlicht weil, Gore-Tex hin und Fleece her, der Fahrtwind bei 30 km/h und 2 °C für die meisten von uns doch leicht jenseits der Aussengrenze unserer Komfortzone liegt. Sicher, wer seinen Lebensunterhalt mit Radfahren verdient, also Velokurierende oder Sportprofis, können nicht anders als bei allen Bedingungen zu fahren, und letztere dürfte auch das Salzwasser ziemlich kalt lassen (Wortspielalarm), denn für irgendwas hat man ja einen Mechaniker zu Hause, der einem das Fahrrad nach einer Spritztour (Wortspielalarm) noch so gerne wäscht und legt. Für alle anderen geht es auch dieses Jahr wie jeden Winter darum, eine Ersatzbefriedigung für das regelmässige Radfahren zu suchen. Und damit sind wir auch schon mitten drin in in den Lach- oder zumindest Sachgeschichten!
Was also tun an einem trüben Sonntag anfangs Februar, wenn draussen 2 °C und mässige Bise herrschen und die Wettervorhersage Schnee in unbestimmten, aber eher homöopathischen Mengen vorhersagt?
Skifahren oder Langlaufen? Geht nicht, weil es dazu heute schon zu spät ist und sich auf den wenigen brauchbaren Pisten und Loipen der ganze Rest der bewegungsfähigen Bevölkerung drängelt. Und weil die Ski natürlich wieder mal nicht gewachst sind.
Endlich mal die ganzen ungelesenen Velomagazine nachlesen? So viele Magazine sind doch schon verschwunden, aufgelöst oder so, und die wenigen verbleibenden hat man dann doch irgendwann zwischen Weihnachten und Neujahr fertig gelesen. Wer Glück hat, findet etwas Erbauendes im weltweiten Netz, nur ein paar Maschen weiter, zum Beispiel aus der Feder des Autors Max Küng, der ein äusserst naturgetreues Bild männlicher Sportradler skizziert.
Doch vier Minuten später stellt sich erneut die Frage: Was tun? Die Scheibenbremse am Gravelbike wieder einmal korrekt einstellen? Dazu ist es im Velostall zu kalt. Im Haus wiederum steht auf dem einzigen Fleck, an dem in nachhaltiger (sprich: den Parkettboden nicht versauender) und sozialverträglicher Weise ein Fahrrad aufgestellt werden könnte, bereits ein solches. Nämlich das Rennvelo samt Rollentrainer.
Rollentrainer! Also trainieren, um den Tag zu retten? Nein, denn das hatten wir gestern schon, und ein Übertraining bereits im Januar – wer würde denn sowas Albernes machen? Ausserdem ist die Gefahr, auf der Rolle zu verblöden, nicht zu unterschätzen, auch wenn sie erst seit Kurzem ernst genommen wird. Ernst nehmen heisst in diesem Zusammenhang nichts anderes, als dass die Veloindustrie endlich auch mit dem Rollentraining ernsthaft Kohle macht, indem sie sich allerlei eigenartige Peripheriegeräte für das Velo aus dem Finger saugt. Was konnte denn von der Veloindustrie auch anderes erwartet werden?
(Kleiner Einschub: eben wollte ich zum Scherz schreiben, es gäbe bestimmt schon Velohosen extra fürs Rollentraining, hahaha. Beinahe hätte ich dann als Ersatz geschrieben „und Musettes für die fliegende Verpflegung auf dem Rollentrainer wären eine echte Marktlücke, hohoho!“ Was es in dem Online-Shop aber nicht gibt, ist der auf der Startseite abgebildete formschöne Ständer für ein mobiles Endgerät – wohl das einzige, was selbst für die rückständigen Nutzer eines rein mechanischen Rollentrainers hilfreich wäre. Brave new world, sowas. Nun gut, stelle ich meinen Laptop, auf dem ich während des Rollentrainigs immer meine Rainer-Werner-Fassbinder-Director’s-Cut-DVD-Kollektion angucke, halt weiterhin auf den Boden.)
Selbstversändlich harrt die spürbar näher rückende Velosaison noch der Planung (wann, wohin, mit wem und mit welchem Velo verreisen und wozu überhaupt?). Die diesbezüglichen Möglichkeiten hängen jedoch nicht zuletzt vom weiteren Verlauf des Winters ab – also wie häufig der olle Rollentrainer noch zum Einsatz kommen wird – jetzt zu planen, wäre darum ziemlich sinnfrei.
Bleibt nur noch eine Möglichkeit: Smartphone raus und Fotos aus vergangenen Tagen bestaunen. So wie dieses hier, das ein Fahrrad zeigt, welches mitten auf einer schweizerischen Nationalstrasse erster Klasse steht. Noch besser: einer erstklassigen, weil zurückgebauten schweizerischen Nationalstrasse. Wer ein bisschen blinzelt, kann sich gut die zweispurige Einrichtungs-Fahrbahn vorstellen, die da vor wenigen Jahren noch herumlag, und es soll nun keiner glauben, da noch nie drübergefahren zu sein. Alle sind das, versprochen. Zur Begriffsklärung: Eine schweizerische Nationalstrasse ist eine Hochleistungsstrasse auf dem Territorium der Schweiz, welche zum Preis von gerade mal 40 Schweizer Franken während zwölf Monaten beliebig häufig befahren werden kann – zusammen mit dem ganzen übrigen Nationalstrassennetz von 2254,5 Kilometern (Stand: 1. Januar 2022), damit wir uns recht verstehen! Und dafür muss die begeisterte Autofahrerin sich nicht einmal in die Schlange vor einer Zahlstelle stellen, wie in den meisten europäischen Ländern üblich, nein! Sie ersteht einfach einen handlichen kleinen Aufkleber, und rein ins Vergnügen! Den Aufkleber ist eigentlich überall erhältlich, wo es eine Registrierkasse oder ein Kartenzahlterminal gibt, vom Supermarkt über das Schwimmbad bis zur Bijouterie im Nobelkurort. Was, das ist Ihnen immer noch zu teuer? Zu umständlich? Kein Problem, denn sie können das mit dem Kleber auch bleiben lassen und stattdessen durch all unsere schnuckeligen kleinen Dörfer mit ihren schmalen, von freudig winkenden Dorfbewohnerinnen gesäumten Dorfstrassen fahren. Das ist total legal, sogar erwünscht, denn sonst wäre der Aufkleber (Autobahnvignette genannt) ja obligatorisch, nicht?
Aber nun zu besagtem Bild:

So, nun ist der trübe Januarsonntagnachmittag auch rum, dank der allerletzten verzweifelten Möglichkeit für veloaffine Personen: einen Blogeintrag zum Thema Fahrrad zu verfassen. Für alle, die auch damit nichts anfangen können, gilt natürlich wie immer, schlicht und einfach: Just ride!
Was ist da auf dem Foto für ein Fiets? Stahlrahmen mit Sattelstreben vor der Muffe machen nur wenige…
Das ist ein Aarios Discovery Cross (www.aarios.ch) — wohl eines von wenigen Gravel Bikes (ungeachtet seibes Namens) mit Stahlrahmen. Ich fahre denselben Rahmen auch als Reiserad mit Rohloff-Schaltung.