Das Thema des letzten Posts – dass alles im Leben zwei Seiten hat – geht noch viel weiter, wenn man darüber nachdenkt. Was keinesfalls heissen soll, dass in dem Post keine Gedankenarbeit steckt. Man merkt es ihm bloss nicht an. Grosse Kunst, eben.
Jedenfalls gibt es weitere bedenkenswerte Ambivalenzen im Wesen des Fahrrads. So im Sinn von Einerseits – aber andererseits. Hier sind ein paar, und alle, die das lesen, sind eingeladen, weitere in Form eines Kommentars hinzuzufügen.
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Ein Carbon-Rahmen ist wunderbar leicht! | Ein Carbon-Rahmen ist viel zu teuer im Verhältnis zu seinem Nutzen – vorausgesetzt, man muss nicht seinen Lebensunterhalt verdienen, indem man Radrennen gewinnt. |
Die optimale Anzahl an Velos, die man besitzen sollte, ist N+1, wobei N die Anzahl bereits vorhandener Velos ist. | Die meisten Wohnungen und Einfamilienhäuser haben genau P=1 Keller oder Garagen. |
There is great dignity in coasting. | Wer bergab fahren will, muss davor oder danach bergauf fahren. |
Die Idee, mit dem Velo loszufahren mit dem Plan Einmal rechts abbiegen, danach dreimal links klingt herrlich verrückt und passt perfekt zum Wesen des Velos. | Vermutlich kommt man, wenn man den Plan Einmal rechts abbiegen, danach dreimal links konsequent umsetzt, nie wieder nach Hause. |
Das Fahrrad ist eine wunderbar einfache Maschine, günstig zu kriegen und einfach zu bedienen. | Eine wunderbar einfache Maschine, günstig zu kriegen und einfach zu bedienen, bietet zahllose Möglichkeiten für unnötige technische Entwicklungen, wenn man als Hersteller seinen Gewinn optimieren möchte. |
Ein Helm reduziert die Schwere von Kopfverletzungen bei Fahrradunfällen erheblich. | Ein Velohelm hat noch keinen einzigen Velounfall verhindert, aber schon zahlreiche verursacht – wegen dem Peltzman-Effekt aus dem Forschungsgebiet der Risikokompensation. |
Es gibt aber auch andere wichtige Dinge auf der Welt als Velos. Zum Glück, denn sonst würde man die Velos gar nicht zu schätzen wissen! Schöne und bequeme Schuhe aus Leder, zum Beispiel, ein warmes Bett, oder Bücher. Bücher haben die unangenehme Eigenheit, dass sie in aller Regel mehr als zwei Seiten haben, meist sogar wesentlich mehr. Dafür findet man in ihnen gelegentlich wahre Perlen von Sätzen. So wie ich gerade heute. Da stand auf Seite 215, ganz oben (in der Taschenbuchausgabe, zumindest) geschrieben: Ich weiss nicht, was wir machen würden, wenn Gott das Fahrrad nicht erfunden hätte. Moment, nicht wegzappen vor lauter Begeisterung, denn es kommt tatsächlich noch besser! Die Antwort darauf lautet in dem Buch nämlich: Dann hätte er uns in seiner unendlichen Weisheit Flügel gegeben.
Dem lässt sich jetzt wohl tatsächlich nichts mehr hinzufügen. Ausser vielleicht die logische Konsequenz aus den beiden Sätzen: Just Ride!