Überraschungen am Laufmeter: eine aufregende Zeit!

In einer von Ungewissheit und stetem schnellem Wandel geprägten Zeit wie der unseren (gab es eigentlich auch einmal andere?) sehnt sich die Seele nach Ruhe, Gleichförmigkeit, Routine und eben Gewissheit. Niemand weiss das besser als Velofahrende, denn sie fahren nicht selten genau aus diesem Grund Velo. Beim Velofahren kriegen sie Wagenladungen von Gleichförmigkeit und Wiederholung – zusammen mit Abwechslung, Erlebnis und Abenteuer. Denn da sind sie wie Kinder: sie brauchen Rituale. Und stand nicht schon in der Bibel, bei Matthäus, dass wir nicht ins Himmelreich kommen, wenn wir nicht werden wie die Kinder?

In den letzten Tagen gab es allerdings eine Häufung von Überraschungen, was einen Velofahrer hochgradig anstrengt. Zuerst stellte sich heraus, dass wir doch tatsächlich, entgegen unserer bisherigen Beteuerungen, gerade einen Veloboom miterleben – wenn man sich bloss der richtigen Definition des Begriffes bedient. Mehr dazu im letzten Post.

Wenig später haben wir erfahren, dass dieser Blog – weitgehend unbeachtet von der Fachpresse – vor wenigen Wochen sein zehnjähriges Bestehen feiern durfte. Danke! Danke! (Gratulationen gerne in die Kommentarspalte eintragen. Nochmals danke!) Hätte feiern dürfen, müsste es eigentlich heissen, denn selbst die velopflock-Redaktion selbst wurde von dem Jubiläum überrumpelt. Auf der Suche nach einem älteren Post zum Verlinken war einer der Redaktoren über den allerersten Beitrag, den Gründungspost sozusagen, gestolpert. Ich kann mich erinnern, dass dieser auf einem Betonmäuerchen auf dem Basler Messeareal verfasst worden ist, nach dem enttäuschenden Besuch der Zweiradmesse twoo. Diese gibt es längst nicht mehr, velopflock dagegen schon. Wir werten das als Erfolg.

Das Zehnjährige nahmen wir zum Anlass, um einmal zu schauen, was denn so alles auf unserer Website herumliegt. Laut offizieller WordPress-Statistik haben wir bisher 245 Posts veröffentlicht, also in etwa alle zwei Wochen einen. Der Ausdruck Blog stammt ja von Weblog ab, und da schwingt Logbuch mit. Wer schon mal eine Folge Raumschiff Enterprise geschaut hat, weiss, dass Einträge in ein Logbuch mindestens täglich zu erfolgen haben. Unser Rhythmus ist also recht bescheiden, um nicht zu sagen nachgerade lahm. Dass es nicht mehr Posts sind, liegt an unserer Herangehensweise: Wir betreiben für unsere Posts nur ein Minimum an Recherche, wälzen also keine Studien, durchsuchen keine Internetforen und schlagen nicht in Fachzeitschriften nach. Den Inhalt für diesen Blog generieren wir allein dadurch, dass wir immer und überall Velo fahren und danach die gesellschaftsfähige Hälfte unserer Gedanken aufschreiben. Das ist die einzige Art von Recherche, die auf der velopflock-Redaktion nicht verpönt ist. Aber das Velofahren, so viel Spass es auch macht: es ist zeitaufwendig. Und es bringt erst noch die Wartung unserer Velos mit sich. Da bleibt nur beschränkt Zeit fürs Schreiben von Blogeinträgen. Wir geben uns aber Mühe, die Frequenz mindestens beizubehalten, denn wir wissen zwar nicht viel übers Bloggen, aber eine grosse Lebensweisheit ist uns bekannt:

„Eighty percent of success is showing up.“

Woody Allen

Trotzdem wollen wir natürlich keine Posts wie „Ich bin soeben von Unterengstringen nach Oberrohrdorf gefahren. Das Knacken im linken Pedal hält an.“ veröffentlichen, nur um bei euch in Erinnerung zu bleiben Diese Erinnerung wäre dann bald eine schlechte oder gar keine mehr.

Unter den 245 Posts war der Radventskalender im Jahr 2013, als wir bis Weihnachten täglich ein Geschenk für die Leser oder eine Geschenksidee zu Weihnachten losschickten. Den wollten wir schon mehrmals wiederholen, fanden es dann aber jedes Jahr ein bisschen zu anstrengend. Wir gaben dafür unser Privatestes preis, berichteten aus fernen und exotischen Ländern, unternahmen für euch todesverachtende Selbstversuche, unterrichteten euch im Pimpen eures Alltagsvelos und machten die ganze Zeit keinen Hehl aus unserer Skepsis gegenüber Velo-Mutanten mit künstlichem Antrieb. Den ganzen Rest, den wir nie in einem Post unterbringen konnten, fasste ein redaktionsinternes Interview auch nur teilweise zusammen. Aber wir bleiben dran. Unser Ziel für das zweite Jahrzehnt ist klar: die obigen achtzig Prozent auf unter fünfzig zu drücken – damit ihr velopflock auch wieder besucht, wenn wir mal länger radfahren waren, ohne von uns hören zu lassen.

Dann kam diese Woche eine weitere Überraschung dazu. Eine Erkenntnis, die seit Jahrzehnten auf der Hand lag und darum jetzt umso aufsehenerregender ist: Bill Watterson, Schöpfer des Cartoons Calvin and Hobbes, ist ein begeisterter Velofahrer! Der kommentierte Sammelband The Calvin and Hobbes Tenth Anniversary Book (1995) enthält mehrere Strips, in denen Calvin im Chewing Magazine liest. Das ist eine Fachzeitschrift über Kaugummi und Kaugummikauen. Diese druckt abstruse Tests ab, mit denen man bestimmen kann, welcher Kau-Typ man ist, um so den Spass am Kauen zu optimieren. Neben wissenschaftlich angehauchten Materialtest (die Resultate sind selbstredend korrigiert für den Säuregrad im Speichel der Testpersonen) werden auch Kiefermuskeln-Workouts samt Dehnungsübungen vermittelt. Calvins Mimik dabei ist besonders sehenswert. In einem Kommentar schreibt Watterson, dass Velomagazine ihn zu den Chewing Magazine-Strips inspiriert haben. Dass Watterson eine positive Beziehung zum Velo hat, ist natürlich jedem klar, der diesen Strip gelesen hat – und es gibt noch zahlreiche mehr. Zum Beispiel diesen hier, und ist uns nicht allen schon so etwas was ähnliches passiert:

Keine Ahnung, wieso uns die Affinität von Bill Watterson zum Velo nicht früher aufgefallen ist. Die Freude war trotzdem ähnlich gross wie damals, als wir die vermutlich einzige Erwähnung des Fahrrads in einem Songtext von Bruce Springsteen entdeckt hatten.

Mit dieser überaus positiven Überraschung liess sich dann auch die vorläufig letzte unerwartete Wendung in unserem Alltag (Corona-Statistiken und Impf-Zwischenfälle mal beiseite lassend) leichter verdauen:

Immerhin bekommen wir so etwas Zeit, uns mit den grossen Fragen des Lebens auseinanderzusetzen: Wie kriegt man den zweiten Wulst eines neuen Reifens auf den letzten dreissig Zentimetern über eine Rennradfelge? Wie nur?

Das werden wir wohl auch in den nächsten zehn Jahren nicht herausfinden. Aber versuchen werden wir es, und darüber berichten.

2 Gedanken zu “Überraschungen am Laufmeter: eine aufregende Zeit!

  1. GRATULATION zum Jubiläum! Lese zwar erst seit etwas über einem Jahr mit, doch ich freue mich auf jeden neuen Blogpost. Keep on riding!

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