In Bed With Velopflock

Nie, nie, nie hätte ich gedacht, dass es so weit kommen könnte. Gar nie. Wir doch nicht, nicht wir! Wie naiv aber auch von mir. Meine Vorstellungskraft hatte bis dahin nicht ausgereicht um zu erwarten, dass sich ein Velo oder das Velo als solches zwischen mich und meine rechtlich angetraute Ehefrau* schieben, uns entzweien könnte. Nie. So eine Frau hat ja ganz andere Mittel und Wege als ein Apparat, und nichts anderes ist ja ein Velo. Und doch wäre es fast passiert, und meine Frau wäre sogar schuld gewesen, und das kam so.

„Zuckerschnütchen*“, japste ich, „Herzallerliebstes*, du Sonne meiner Tage* und Stern meiner Nächte!*“ Äusserste Vorsicht war angesagt. Aber ich musste Klarheit schaffen. Jetzt und sofort. „Hoppel*, ist es so, wie es aussieht? Echt?“ Hoppel* grummelte etwas, schien aber weiter in ihrem billigen Taschenbuch zu lesen. Eine Finte, garantiert. „Denkst du wirklich, es steht so schlimm um mich? Um uns?“ wagte ich mich weiter. Es gab jetzt keinen Weg zurück mehr. Ich schaltete darum den Vorwärtsgang ein, was ich mir vom Radfahren so gar nicht gewohnt bin: „Du denkst also, ich bin… ich…“ Das Wort wollte nicht über meine Lippen, musste es aber, so wie ich ab und zu über einen Pass muss und nicht will, im Wissen, dass nachher alles gut wird. Also stiess ich es aus: „Du denkst, ich bin ein Nerd? Ein Freak? Ich hätte gar nichts mehr im Kopf als Fahrräder? DAS denkst du von MIR?“ Ich spürte, wie mein Kopf rot geworden war und meine Augen hervortraten.

Fahrräder und ihr Gebrauch sind mein Hobby, das stimmt schon. Man erkennt das zum Beispiel leicht daran, dass ich diesen Blog führe. Ich rede oft über Velos und fahre mit einem davon zur Arbeit, obwohl es exzellente öV-Verbindungen gibt. Ich lese Velobücher, und nicht nur Technik-Ratgeber. Ich bestelle gelegentlich ein Velotrikot im Ausland und ich besitze fünf Räder. Zur Zeit. Das ist alles richtig, aber disqualifiziert mich das menschlich? Bin ich deswegen ein Fachsimpel? Ein Nerd, eben? Den nichts anderes mehr interessiert? So schien mich mein Weib (ich würde sie ohne Übertreibung die beste Ehefrau von allen nennen, wenn diese Umschreibung nicht bereits durch einen berühmten jüdischen Satiriker besetzt wäre) nun aber zu sehen, denn: Sie hatte neue Bettwäsche für unser Schlafzimmer gekauft, eine Seite weiss mit mintgrünen Ornamenten, die andere Seite mintgrün mit weissen Ornamenten. Und die Ornamente, das waren Fahrräder! Fahrräder! Nichts als Silhouetten von Velos aller Arten! Mindestens dreissig Stück auf einer Deckenseite!

Wenn deine Frau glaubt, du willst Deine Bettwäsche mit einem Ornament verzieren, das stark mit deinem Hobby zu tun hat, weil du auch nachts davon umgeben sein willst, dann, ja dann musst du dein Hobby ganz, ganz schnell über Bord werfen und kein anderes mehr suchen, bis sich die Situation beruhigt hat. Bei mir war es nun also so weit, und der nahende Abschied von meinen Velos lastete auf meinem Herzen wie sämtliche Schulden der Griechen auf ihrem Land, um keinen Peso leichter. Ich stand offenbar vor der Mutter aller Entscheidungen: Sie oder sie. Das heisst: Die Velos oder die Frau*. Das hätte ich meinem ärgsten Feind nicht gewünscht.

„Was machst du für einen Wind?“ fragte mich Bussy Bär* und blickte kurz von ihrem Schundroman auf. „Die Bettwäsche hat überhaupt nichts mit dir zu tun. Die lustigen Velos haben mir gefallen, und die Farbe passt zur neuen Deckenlampe. Ausserdem war’s ein Schnäppchen.“ Sagte sie, rückte das grosse Sofakissen zurecht und widmete sich wieder ihrer Literatur.

So einfach kann das Leben sein. Und so schön. Und meistens hat das Fahrrad damit zu tun.

* Richtiger Kosename und Grad der Heuchelei der Redaktion bekannt.

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