Alles scheint bereit, die alte Dame wieder zu einem richtig schönen Velo aufzubauen. Obwohl, halt, nein, so ganz ohne Schminke kann der Rahmen ja nicht bleiben, sonst würde der schöne Stahl unweigerlich einen rostigen Tod sterben. Aber ich will die Schönheit des nackten Stahls auf keinen Fall hinter einer schnöden Lackschicht verschwinden lassen. Alternativen gibt es aber erstmal keine:
- Klarlack bietet keinen guten Rostschutz, sagt das Internet.
- Vernickeln ist irgendwie nicht so mein Geschmack.
- Verkupfern kommt nicht in Frage, weil das machen die Hipster schon.
- Verchromen geht auch nicht, denn, wie Rahmenbaumeister Stolz diese Idee kurz, knapp und sehr treffend kommentierte, ist das «porno!» (und sowas wollen wir schliesslich auf diesem Blog nicht sehen).
Ratlos mache erstmal eine Wochen Ferien. Trotz feuchtem Kellerklima finde ich nach den Ferien keinen Hauch von Rost. Mag sein, dass die Ferien dafür zu kurz waren. Aber vielleicht lag es auch am WD40, das ich vor den Ferien noch auf den Rahmen gesprayt habe. WD40 ist ein ölartiges Zeug, wovon ein Teil innerhalb weniger Tage verdampft und einen feinen «Schutzfilm» zurücklässt. Und genau das brachte mich auf die Idee, den Rahmen mit Leinöl einzubalsamieren. Nach etwas Internetrecherche wird aus Leinöl dann Owatrol, womit ich Rahmen und Gabel von aussen einpinsle. Mit dem Leinöl imprägniere ich den Rahmen von innen (und versaue mit dem Rest den Garagenboden gründlich). Ich habe keine Ahnung, wie lange der Owatrol-Balsam hält – aber bis dahin sieht der Rahmen wunderschön aus!
Nach der (vielleicht nicht letzten) Ölung des Rahmens baue ich die Kurbel ein. Oder auch nicht, denn das dazugehörige Tretlager passt nicht. Die alte Dame hat untenrum nämlich ein BSA-Tretlagergehäuse mit 73 mm Breite. Sowas habe ich in meinem ganzen Leben noch nie gesehen, obwohl ich eine gefühlte Hälfte meines Lebens damit herumgefahren bin. Und die Rennradkurbel will nun mal ein Feld-Wald-Wiesen-Tretlagergehäuse mit 68 mm Breite haben.
Das Internet teilt mir auf Anfrage mit, dass beidseitiges Abfräsen des Tretlagergehäuses um 2.5mm ein Ding der Unmöglichkeit ist, das gar nicht erst zu versuchen sei. Das ist mir aber (zwangsläufig) egal. Der weiter oben bereits erwähnte Rahmenbauer gewährt mir Zutritt zu seinen heiligen Werkstätten, die ich nach 30 Minuten und 2 x 2.5mm fräsen wieder verlasse; das entspricht 0.00001 km/h und zeigt, dass fräsen und rasen eben nicht das gleiche ist (für die nicht-Schweizer hier: ich glaube, das versteht ihr jetzt nicht ohne weiteres).
Jetzt passt die Kurbel. Die neuen Bremsaufnahmen passen auch. Steuerlager auch. Laufräder auch. Sattelstütze auch. Umwerfer und Schaltwerk auch. Und alles andere auch. Nach einem orgiastischen Schrauberabend in der Garage steht die neue alte Dame in ihrer geballten Pracht vor mir!
Eine kurze Proberunde verheisst gutes. Am Morgen danach lasse ich mich von der alten Dame zur Arbeit bringen. Und abends wieder nach Hause. Und am liebsten wäre ich gleich wieder zurück zur Arbeit gefahren, denn aus den Engelsliedern von damals ist jetzt fetter Rock’n’Roll geworden!
Boah! Schöne Arbeit! Mir gefällt der Stahl gut, hoffe nur für euch, das bleibt so. Ist das golden-bräunliche Säumchen rund um die Gewinde-Einfassungen Zierde oder was ist das? Und – so schön das rot zum Stahl passt: Irgendwie wirkt das Rücklicht etwas, nun ja, eigenartig. Tagsüber brauchst du ja kein Licht.
Bitte teil meinem Arbeitgeber mit, was das alt-neue Velo für Auswirkungen auf deine Arbeitsmoral hatte, vielleicht lässt er dannw as springen für die Renovation MEINES alten Rahmens…
Das gold-braune Zeug ist Messinglot. Damit hat vor ca. 20 Jahren ein amerikanischer working class hero die Gewindeeinsätze in meinen Rahmen gelötet. Nicht zur Zierde, sieht aber trotzdem hübsch aus. Und ja, das rote Plastikrücklicht sieht nicht hübsch aus. Aber ich hatte an dem Tag Schiss, vom Nebel verschluckt zu werden, da musste das sein.
Applaus, Applaus, Applaus!!!!!!!!!!!!!!!!!
(Kermit der Frosch….)
Äh, ja, also, öh, Danke!