Es ist ja keine grosse Überraschung, dass Pro Velo eine Initiaitve zur landesweiten Veloförderung ausbrütet. Mich überrascht eher, dass ich mich wohl nicht so ohne weiteres mit dem Vorhaben anfreunden werde.
Wie so oft scheint die «Veloförderung» mit Malerarbeiten am Strassenbelag gleichgesetzt zu werden. Konkret sollen Velowege erstellt werden, weil der Mensch sonst angeblich gar nicht Velo fahren kann. Das weiss ja heutzutage jeder. Sogar Instanzen wie die NZZ berichten, dass es heute in der Schweiz 109 km Strassen gibt, auf denen auch Velos zugelassen sind. Ich wage das zu bezweifeln, denn laut Strassengesetz sollen Fahrzeuge verschiedenster Art (sogar Velo und Rikschas) auf allen möglichen Strasen rumfahren dürfen (ok, auf Schweizer Autobahnen sind Velos deplaziert). Sie müssen sich dort halt an die Verkehrsregeln halten (egal, wieviele Räder sie haben). Und ich weiss aus eigener Erfahrung, dass es in der Schweiz mehr als 109 km Strassen gibt. Und ich weiss auch (nicht nur aus eigener Erfahrung), dass Velowege das Veloleben nicht vereinfachen. Zudem ist es mir ein Rätsel, wo die ganzen Velowege Platz finden sollen. Und die Velo-Wegmacher wissen das wohl auch nicht so ganz genau, wenn sie ehrlich sind.
Alles nur ein grosses Missverständnis? Nein ich fürchte es ist mehr, so 20 Millionen, aber wahscheinlich noch mehr. Wenn die Veloförderer wirklich und wahrhaftig vorhaben, ein separates Verkehrsnetz für Velos aufzubauen, dann nimmt uns Velofahrer doch erst recht keiner mehr ernst. Sollen diese Velospinner doch auf ihren Velowegen fahren und gefälligst von den Strassen wegbleiben, die für anständige Verkehrsteilnehmer wie Autofahrer, Fussgänger, Rikschas, Armeepanzer und Möchtegern-Tom-Lüthis da sind.
Echte Veloförderung geht nicht per «Velo weg». «Velo her!» muss es heissen. Also, liebe Velofördergeldverbraucher: kauft jedem Haushalt ein oder zwei Velos. Und hängt überall Werbeplakate mit Roger Federer auf dem gleichen Velomodell auf.
Lieber Bojan, die Welt ist nicht schwarz-weiss, war es nie und wird es auch nie sein! Natürlich werden mehr Velowege nicht die gesamte Bevölkerung in den Sattel befördern (wer wollte sowas!), natürlich ist nicht an jeder Stelle im Schweizer Strassennetz ein Veloweg die beste Lösung. Und natürlich kommen viele Velocracks tipptopp aus ohne Velowege. Damit aber mehr Leute Velo fahren – und ich setze jetzt mal voraus, das ist auch in Deinem Sinn – müssen wir ein paar Ungeübte mobilisieren. Und das dürfte leichter fallen, wenn nicht allzu viele auf ihrer ersten Fahrt an einer mittelgrossen Kreuzung platt gemacht werden. Und falls Du auf die Leute hören willst, die das Bedürfnis nach einem Veloweg an den Frequenzen auf der entsprechenden Stelle ablesen wollen, bist Du auf dem Holzweg. Wenn da keiner fährt, dann vielleicht, weil es schlicht zu gefährlich ist? Das Motto ist nämlich „Build it and they’ll come“ – das gilt für Velowege genau so wie für Strassen und Gotthardröhren.
Und übrigens bin auch ich nicht überrascht, dass Pro Velo was unternimmt für die Velofahrenden. Die machen sowas nämlich ständig…
Ok, das Gotthardröhrenargument hat was. Und Velofahrer mobilisieren auch, weil dann weniger Leute zum Autofahren übrig bleiben. Das weils-zu-gefährlich-ist-Argument ist aus der Veloperspektive natürlich ebenso nachvollziehbar (für den Rest der Welt vermutlich weniger – in etwa so, wie ich nicht verstehe, wofür die Schweiz Kampfjets brauchen könnte). Und ja, ich habe wie immer masslos übertrieben. Dennoch scheint mir die Idee eines separaten Netzes von Velo-only-Routen, die beliebige Anfangs- und Endpunkte direkt miteinander verbinden etwas gar visionär und unnötig, um nicht zu sagen versnobt. Aber vielleicht sind es ja bloss die Politik und die Medien, die mit der grossen Kelle anrühren, obwohl es in Tat und Wahrheit «nur» darum geht, den Velofahrern das Leben zwischen Trolleybussen, am-Steuer-telefonierenden und sich öffnenden Autotüren leichter zu machen.