Ein gutes Jahr ist es nun her, da trug die sonntägliche Lifestylebeilage einer grossen Schweizer Tageszeitung den Titel „Frauenfreundschaften“. Nun fahren ja auch Frauen gerne Velo, und weil sie sich dann gerne mit ihrem Stahlross anfreunden, war da auch ein Artikel über Frauen und Fahrräder zu finden. Unter anderem war da zu lesen: „Anything goes: Puristische oder nostalgische Optik, kleinere oder grössere Räder – und das wenn möglich gar elektrisch. Davon profitiert insbesondere die Damenwelt: Der Extra-Schub erleichtert die Fortbewegung im Alltag und ermöglicht ein müheloses Mithalten im sportiven Bereich.“
Warum sollen denn hier die Damen der Welt extraviel profitieren? Und wieso sollen sie das brauchen? Angeblich kriegen E-Velo-Fahrer ja in etwa soviel an Unterstützung, wie sie in die Pedale reintreten. Im Durchschnitt sind das dann ja weniger Watt bei den Damen als bei den Herren und nicht mehr. Oder sollte der eigentliche Profit etwa sein, dass die Dame dann endlich einmal mit dem Herrn mithalten kann und „richtig sportlich“ Velo fahren kann (dabei ging es in dem Artikel doch um Frauenfreundschaften…)? Pikanterweise erschien der Artikel exakt an dem Wochenende, an dem Karin Thürig am Ironman auf Hawaii den Rekord auf der Velostrecke erneut verbesserte… Ist es übrigens noch nötig, zu erwähnen, dass ein Herr den Artikel verfasst hat?
Dieser subtile Faux-Pas erinnert an die vorletzte Ausgabe der Hauszeitung eines regional bekannten Sportgeschäftes. Da wurde neben den Siasonneuheiten auch die Belegschaft vorgestellt. Zum Beispiel Andrea H. (richtiger Name der Redaktion bekannt): „Andrea H. arbeitet bei uns seit September Teilzeit, aber trotzdem freundlich und kompetent.“ Ob dem Patron sein Tritt ans Schienbein von 60 % der in der Schweiz arbeitenden Frauen zwischen 24 und 55 inzwischen bemerkt hat?
Sowohl der Schurni als auch der Sportfachscheff gehören offenbar zum belehrungsresistenten Grüppchen der Männer, die „…ja wirklich nichts gegen Frauen haben, aber…“. Und das Grüppchen steht philosophisch gesehen ganz nah an der riesengrossen Gruppe von Leuten, die „…ja wirklich gern mit dem Velo zur Arbeit fahren würden, aber bei meinem Arbeitsweg / meiner Position im Betrieb / meiner Frisur ist das nun wirklich zu umständlich / unpassend / zeitraubend“.
Warum dieser Eintrag erst ein Jahr nach dem Zeitungsartikel erscheint? Na ja, weil nur akribische Recherche und mehrfaches, sauberes Gegenlesen den Tritt in ein unterschwelliges Fettnäpfchen oben beschriebener Art verhindern kann. Und das braucht in Gottes Namen Zeit. Immerhin nicht ganz so lange wie der Durchbruch der Erkenntnis, dass weder Frauen, noch Teilzeitarbeitende, noch Velofahrende eine bemitleidenswerte Randgruppe sind.
«Alle finden es chic, über die Benachteiligung von Frauen zu reden» schreibt Birgit Schmid im aktuellen Tagi-Magi. Und Sie wagt sogar implizt zu fragen, ob sich der Feminismus nicht langsam seinem Ende entgegen neigt. Dazu frage ich ganz explizit: Wäre es nicht chic, wenn Velofahren bald genauso normal würde wie Stimmzettel für Frauen?