Das Velo hat ein Image-Problem. Was tun?

Das Velo hat ein Imageproblem, obwohl es sich gleichzeitig grosser Beliebtheit erfreut als Lifestyle-Gadget und Fitness-Maschine. Aber vielleicht liegt gerade in dieser Beliebtheit das Problem.

Eigentlich hat das Velo, haben die Velo Fahrenden nicht nur ein Imageproblem, sondern gleich einen ganzen Strauss davon: In den Städten terrorisieren Veloraser die Fussgänger auf den Trottoirs. Auf den Wanderwegen attackieren johlende Mountainbiker verschüchterte Wanderer und ihre Kinder und Hunde. Unterdessen mischen Rennvelofahrer in obszön enganliegender Designerkleidung abwechslungweise Schnellstrassen (weil sie langsamer sind als der übrige Verkehr) und Radwege (weil sie viel schneller sind als der übrige Verkehr) auf. Profi-Rennfahrer schliesslich gefährden unsere Jugend, weil sie, statt ein Vorbild abzugeben, ihre Karriere lang dopen oder nach deren Ende in den Häusern ihrer Nachbarn randalieren. Es sieht also ziemlich übel aus für uns Velofahrer. Und hier sind die E-Biker noch nicht einmal erwähnt!

Auch wer keinen übergrossen Respekt vor dem stetig wachsenden motorisierten Verkehr auf unseren Strassen hat, traut sich also kaum mehr auf selbige. Mit Übergriffen ist zu rechnen, nicht nur auf der Strasse: Ein FDP-Nationalrat wollte im Frühling mit einer Motion im Parlament die Bussen für Velofahrer stark erhöhen, um endlich wieder Ordnung herzustellen auf unseren Strassen. Zwar hat er damit nur einen von drei Parlamentariern begeistern können, aber so richtig beruhigt können Radfahrende nicht sein, und sollten sie auch nicht.

Wer sich an die Verkehrsregeln hält und Verstand und Anstand walten lässt beim Velofahren hat trotzdem Ärger. Vielleicht handfesten, weil Autofahrer überempfindlich reagieren auf Störungen ihrer Ideallinie. Viel wahrscheinlicher aber ist es, dass der unbescholtene Velofahrer den Unmut seiner nicht pedalenden Mitbürger etwas subtiler spürt: An der Urne, wenn ein Kredit für einen neuen Radweg nicht genehmigt wird. Im Kreisel, wenn ihm der Vortritt nicht gewährt wird. In Diskussionen, wenn er den oben aufgezählten Vorurteilen begegnet. In allen anderen Situationen, in denen er Leuten begegnet, die ihn mit den fünf idiotischen, verrohten, gleichgültigen, fahrlässigen oder egoistischen Prozent der Velonutzer in einen Topf wirft.

Was tun dagegen? Warten, bis einem eine Fussgängerin auf dem Fussgängerstreifen den Schirm in den Rücken stösst? Den Wutbürgern auf den Gehsteig erklären, dass Sippenhaft und Pauschalverurteilung keine taulichen Konzepte sind für das Leben in einer liberalen und pluralistischen Gesellschaft? Das wäre verlorene Liebesmüh oder sogar ein Himmelfahrtskommando.

Es geht auch einfacher. Den, um es vorsichtig zu formulieren, pauschalen Argwohn der anderen Verkehrsteilnehmer gegenüber der eigenen Spezies einfach ignorieren und weiter fahren wie immer. Dabei freundlich grüssen, rechtzeitig klingeln, zuvorkommend Rücksicht nehmen, präventiv absteigen, grosszügig Vortrtitt gewähren. Steter Tropfen höhlt den Stein, denn manchmal bleiben bei den Fussgängern und Wanderern auch positive Eindrücke hängen. Diese Aufgabe ist eine noch viel grössere als das Erarbeiten einer artegerechten Infrastruktur in Form von durchgehenden, sicheren und komfortablen Radwegen. Als ob das nicht schon schwer genug wäre!

Nahe liegender, bzw. näher liegend wäre es ja, einen fehlbaren Kollegen anzuhalten und eines besseren zu belehren. Das ist aber nicht jedermanns Sache und nur ratsam, wenn man die eine oder andere Zusatzversicherung abgeschlossen hat. Allerdings gelten Alltagsradler (ganz im Gegensatz zu Freizeitradlern) unter Nicht-Radlern ja sowieso schon als Gutmenschen, weil sie ständig die Umwelt retten wollen; wer auf dem Radweg gut gemeinte Tipps verteilt, macht sich auch noch bei Seinesgleichen verhasst. Damit muss man dann einfach leben können.

Da ist es nur ein schwacher Trost, dass das Velo nicht die einzige Maschine ist, die momentan unten durch muss. Nach dem tragischen Absturz eines Oldtimer-Flugzeuges vom Typ Ju-52 , auch Tante Ju genannt, wurden vergangenen Sommer Stimmen laut, die gleich alle Maschinen dieses Typs mit einem Flugverbot belegen wollten, und zwar für immer. Die alte Dame wurde generell für tot erklärt:

SIHP32_0001
Ein Flugzeug ist abgestürzt. Das schreit nach einem Flugverbot.

Diese Forderung steht in einer schönen Tradition in unserer eigentlich technikhörigen obschon aufgeklärten Gesellschaft – aber das war natürlich vor dem Auftritt des Internets! – nach einem Zwischenfall in irgendeinem System das System abschaffen zu wollen. Letztendlich werden da aber schon noch unterschiede gemacht zwischen verschiedenen Systemen bzw. wir wägen die Konsequenzen für unsere Komfortzone sorgfältig ab, und deshalb werden wir auf einen Magazintitel wie diesen noch Weilchen vergeblich warten:

SI_TitelFake
Wer wird denn gleich das Kind mit dem Bade ausschütten?

 

A propos Image: Was für ein Bild ihrer Leserschaft wollten die Macher der Zeitschrift „Freeride“, einer weiteren Postille aus dem Delius-Klasing-Verlag, der auch „Bike“und „Tour“ verschuldet, denn vermitteln in einer ihrer letzten Nummern? Im vordersten Teil des Heftes gab es eine Bildstrecke über die Helden des Freeridens, allesamt Herren. Boah. No limits, Alter!

Es werden aber nicht ausschliesslich Männer gezeigt, wo denken Sie hin! Das wäre sexistisch, unmodern und uncool. Deshalb gibt es in der Bildstrecke auch ein Foto von einer Frau, denn man ist in der Freeride-Szene ja aufgeschlossen gegenüber Randgruppen:

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Schöne neue Welt.

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