Velofahren geht immer.
Es war ein heisser Sommer-Sonntagnachmittag, und ich lag zufrieden lesend in der Hängematte zwischen Zwetschge und Ahorn. Meine Tochter stieg irgendwann zu. Ich blickte prüfend ins Geäst und befand dieses für ausreichend tragfähig. Auch als noch der Kater zu uns sprang, machte mir das keine Sorgen, denn die Äste, wie gesagt. Nach wenigen Minuten aber riss krachend einer der Hanfstricke, wir folgten zackig der Schwerkraft, und ich landete auf dem Steissbein. Ich bin heute noch dankbar, dass unsere Nachbarn meine Schmerzensschreie, die eher Ausdruck des Erschreckens waren, nicht hören konnten. Sie hörten stattdessen das schallende Gelächter meiner Tochter. Gut so.
Mein erster Gedanke war, wie ich mich aufrichten sollte, um wie verabredet mit Freunden im Postauto zum See zu fahren. Die zweite Sorge war von grösserer Tragweite: Wie sollte ich am nächsten Tag zur Arbeit kommen? Postauto kam eigentlich nicht in Frage, denn es war bike to work-Aktionsmonat. Aber würde mein geprelltes Steissbein das zulassen? Am Esstisch zu sitzen war schon ziemlich schmerzhaft und erforderte eine ganz spezifische Körperhaltung, an die ich mich heute zum Glück nicht mehr erinnern kann. Mehr Kindergelächter. Meine Arbeit würde ich nötigenfalls im Stehen verrichten oder unter Ausreizung der ergonomischen Möglichkeiten meines sicherlich sehr teuren Bürosessels. Aber eine halbe Stunde auf einem Lederkernsattel, pedalend, mehrmals in den Wiegetritt wechselnd? Ich würde das erst nach eineinhalb Kilometern Abfahrt herausfinden, weitab von jeder Siedlung und allen Bus- oder Bahnlinien. Jenseits des Points of no return also. Mein Schlaf in jener Nacht war nicht nur wegen der Schmerzen nicht der beste.
Zum Aufsteigen biss ich auf den Kinnriemen meines Helmes, um niemanden aufzuwecken. Der Rest der Fahrt ging jedoch komplett schmerzfrei von statten. Das Velo hat mich noch nie im Stich gelassen, auch nicht an jenem sonnigen Montagmorgen. Velofahren geht immer. Auch ein Hund kann kein besserer Freund des Menschen sein.