Die Tage werden kürzer, kühler und dunkler jetzt. Uns Velofahrer trifft das besonders hart. Noch etwas mehr als alle anderen Menschen müssen wir uns bewusst die körperliche und seelische Wärme suchen, die wir im Sommer einfach so mitnehmen, ohne darüber nachzudenken. Beides findet man bekanntlich beim Essen. Fetter und deftiger als die Sommerküche ist die Winterküche, und das ist auch gut so. Damit unser Körper den Laden warm halten kann, wenn wir draussen unterwegs sind (und das sind auch die grössten Stubenhocker ab und an), braucht er anderen Brennstoff als im Sommer, wenn er eher Durchzug veranstalten muss, um die Abwärme des Normalbetriebs loszuwerden. Dann gibt es wieder einmal Speck, Linsen, Kartoffeln, Rotweinsauce, Wurst, Sauerkraut. Aber lassen wir das jetzt mal auf der Seite, sonst sabbere ich hier noch die Tastatur voll. Ist ja auch kein Foodblog hier. Photisserie.de ist eine Art Foodblog. Wobei – ohne Essen fährt sich bekanntlich schlecht Rad. Also, Sommerküche:
Winterküche:
Seelische Wärme und Trost findet man in jeder schwierigen Situation auch bei seinen ganz privaten Helden. Aber Helden betrachten macht auch Spass, wenn es einem gut geht. Zu meinen Helden gehörte zu seinen Aktivzeiten Bernard Hinault, der Rennen von der Spitze aus gewinnen konnte, einfach, weil er es wollte. Er dominierte das Feld nicht mit Hilfe einer überlegenen Mannschaft, wie das heute gemacht wird, sondern allein. Er gewann Tour de France-Etappen überlegen, wenn er schon überlegener Gesamtleader war. Und austeilen konnte der! So verhaute er einen Bauern, der mit seinen Kameraden aus Protest gegen irgendein Agrargesetz das Tour de France-Feld blockierte. Und austeilen kann Le Blaireau (der Dachs), so sein Spitzname, immer noch:
Ein anderer meiner Helden war der Computernerd und Technikfreak Murray Bozinsky in der Vorabendserie „Trio mit vier Fäusten“. Mehrere Monate lang machte ich den Denkfehler, dass vier Fäuste bei einem Trio ja eine zu viel sei, und dass die vierte Faust dann etwas mit dem orangefarbenen Roboter mit dem originellen Namen Roboz zu tun haben müsse. Der Charakter von Murray gaukelte mir vor, man könne es auch zu etwas bringen, wenn man nicht muskelbepackt und beweglich, sondern eher etwas kopflastig und linkisch ist. Lustig, oder?
Heute stehen meine Heldinnen und Helden nicht mehr so weit über mir wie früher. Deshalb gibt es immer wieder neue, was ich sehr spannend finde. Ich wette, mehrere davon sind niemand anderes Held (ausser vielleicht der/die ihrer Lebenspartner)! Seit mehreren Jahren ein Held für mich ist ein Mann aus dem Nachbardorf. Sein Arbeitsweg deckt sich mit der zweiten Hälfte meines eigenen. Aber er war mir schon aufgefallen, als ich noch in der Stadt wohnte, in der ich heute immer noch arbeite, und er eben auch. Dieser Herr gesetzteren Alters bekleidet eine hohe Position in einer kantonalen Behörde und ist darum im Arbeitsalltag immer mit Anzug und Krawatte unterwegs. Soweit nicht Heldenhaftes. Er fährt aber jahrein, jahraus, wenn auch vielleicht nicht täglich, in diesem Aufzug die fünf Kilometer von seinem Wohnort ins Büro: Anzug, Hemd, Krawatte, polierte Halbschuhe, Aktenkoffer aus Leder auf dem Gepäckträger. Regnet es, zieht er eine Nylonjacke über, notfalls auch die Kapuze. Ist es kalt, trägt er dicke Handschuhe und eine Mütze. Sein Velo ist ein ganz gewöhnliches Siebengang-Citybike.
Zum Helden hat er es gebracht, weil er sich nicht wie die meisten Mitglieder der arbeitenden Bevölkerung darauf beruft, dass sie wegen dem Zwang zum properen Aussehen am Arbeitsplatz leider, leider – sie würden ja nach so gern, aber man versteht doch sicher – nicht ihr Velo für den Arbeitsweg benutzen können, sondern sich zähneknirschend in ihren Audi A8 setzen müssen. Das harte Schicksal eines Angestellten in leitender Position eben (denn Firmeninhaber, nehme ich an, haben da doch etwas mehr Freiheiten, ich sage nur Zuckerbergs Adiletten). Selten fahre ich auf ihn auf, denn er ist recht schnell unterwegs (vielleicht hat er seine Schweissdrüsen unter kompletter mentaler Kontrolle?). Kommt es doch einmal vor, bleibe ich jeweils hinter ihm, schaue ihm zu und geniesse den Moment. Und schwöre mir: wenn ich einmal in irgendeiner Teppichetage ankommen sollte, werde ich sicher weiterhin mit dem Velo zur Arbeit fahren. Das mit der Teppichetage ist ein reichlich unwahrscheinliches Szenario, darum fällt mir dieser Schwur jeweils nicht sehr schwer. Aber gerade als Velofahrer muss man sich ständig auf alle möglichen Szenarien einstellen. Abgesehen einem: überfüllte Radwege, leider…