Yes, you!
Es ist ja nicht so, dass Velofahrer nicht sowieso bessere Menschen wären als der ganze Rest des Planeten. Sie sind leiser, brauchen keinen Platz im Verkehr und stinken vielleicht etwas unter den Achseln, aber nicht hinten raus. Vor allem aber: Sie sind glücklicher, darum freundlicher, sehen darum besser aus, finden darum leichter eine Partnerin oder einen Partner fürs Leben, pflanzen sich aber trotzdem nicht ungehemmt fort auf diesem dichtegestressten Planeten, weil sie entweder vor lauter Velofahren keine Zeit oder keine Energie dazu haben, oder weil vielleicht doch etwas dran ist an der Geschichte mit den durchgewalkten Samensträngen. Immerhin pflanzen sie sich noch genug fort, um nicht ganz auszusterben.
Jedenfalls: Trotz allem Gutmenschentum, welches uns Velofahrer umweht, ist es nun Zeit zum Handeln. Handeln, das über den täglichen Arbeitsweg hinausgeht. Zwei Chancen, die Sie nicht verpassen sollten:
- Aus Dänemark kommt die ebenso einfache wie umwerfende Idee von „Radeln ohne Alter – Recht auf Wind im Haar“.
Sie geht so: Radfahrer meldet sich bei Altersheim, Altersheim leiht ihm eRikscha und zwei Senioren, Radfahrer macht mit den beiden eine Ausfahrt in die Stadt, an den Fluss, in den Wald. Wann immer der Radfahrer Zeit hat. Die Senioren kommen aus dem Heim raus an die frische Luft, frischen Kontakte und Erinnerungen auf und teilen diese mit dem Piloten, der hinter ihnen sitzt und sich mit ihnen unterhalten kann. Die Senioren erzählen gern, und der Pilot erfährt etwas über ihr Leben, über vergangene Zeiten und Welten. Tönt nicht nur gut, ist gut. Wer sich das nicht so recht vorstellen kann, kann es sich ansehen. Etwas ausführlicher in Oles TED-Talk. Und wer es sich dann vorstellen kann, meldet sich als Pilot unter www.radelnohnealter.ch. In der Schweiz machen bisher acht Heime mit – bis zum Kickoff im Juni werden es hoffentlich noch einige mehr. Treten, einmal für andere. Und der Moment, in dem Sie selber nicht mehr treten können, kommt auch irgendwann.
- Sie sind nicht so der Plaudertyp, sondern packen lieber mit den Händen an? Dann sind Senioren vielleicht nicht das Richtige für Sie, ausser Sie sind Physiotherapeut oder sowas. Aber kein Grund, Trübsal zu blasen, auch Sie werden gebraucht. In vielen Durchgangsheimen leben Flüchtlinge, Asylbewerber unter schwierigen Umständen. Ihre Unterkünfte stehen meist am Rand oder ausserhalb der Dörfer und Städte. Um Besorgungen zu machen (in der Regel sind sie Selbstkocher), Landsleute zu treffen oder mit den Behörden in Kontakt zu treten, müssen sie oft lange Wege zurücklegen. Das Netz des öV ist in der Schweiz zwar dicht, aber nicht billig. In den Unterkünften gibt es vereinzelt Fahrräder, aber die sind oft in so schlechtem Zustand, dass sie nicht gebraucht werden. Was liegt für einen durch zahllose Stunden am Montageständer gestählten Hobbymechaniker also näher, als hier einzuspringen?
Packen Sie also einmal an einem Samstag Ihr Werkzeug, ein paar Kabel, Klötze und Kettenöl ein und fahren Sie zusammen mit Freunden zu so einem Durchgangszentrum, um ein paar Velos neues Leben einhauchen. Das erleichtert den Flüchtlingen ihren nicht allzu tollen Alltag enorm. Das zuständige kantonale Amt kennt die Heime und die Kontaktpersonen, die über vorhandene Fahrräder Bescheid wissen. Im Zweifelsfall selbst hinfahren und nachschauen. Wenn nötig bringt man das Fahrrad gleich selbst mit – in unseren Kellern stehen so viele nicht gebrauchte Räder herum. Den Wohltätern gibt so eine Aktion Übung und eine prima Gelegenheit, sich nach getaner Arbeit mit einem Bier und gutem Gewissen zurückzulehnen.
Was so ein Fahrrad nicht alles kann.
Fahrräder für Migranten sind wichtiger, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Selbst die Sozialtikets für den ÖPNV sind finanziell nicht tragbar und Migranten erhalten es auch nur, wenn sie als Flüchtling anerkannt sind (so gilt es in Deutschland in vielen Städten). Fahrräder bieten also die einzige Mobilität neben dem zu Fuß gehen. Allerdings sind Besorgungen oder die täglichen Wege zum Kindergarten, zur Schule, zum Amt etc. zu Fuß schlichtweg und in der Summe kaum zu bewältigen.
Wir haben in einer kleinen Gruppe schon einige Fahrräder wieder flot gemacht. Vor allem steht die Alltagstauglichkeit im Vordergrund. Die Fahrräder haben wir als kostenlose Spenden erhalten. Meistens ist viel Schrauberrei notwendig und die defekten Teile sind in aller Regel das Licht, die Reifen und die Bremsen.
Wir haben auf Online-Plattformen für Gebrauchtsachen inseriert. Wenn man die dämlichen Kommentare vernachlässigt, die „besorgte Bürger“, „Wutbürger“ oder offensichtliche Rassisten so ablassen, kommt unsere Hilfsaktion ganz gut an.
Lokal arbeiten wir mit den Sozialamt und bereits gut organiserten Flüchtlingshilfen zusammen, um so ein effektives Netzwerk aufzubauen.
Macht Mut! Danke für den Erfahrungsbericht!