Sind Velofahrer bessere Menschen?

Diese doch eher rhetorisch anmutende Frage stellte ein bürgerlicher Politiker einst im „Politblog“ des Zürcher Tagesanzeigers, Online-Ausgabe. Er suggerierte damit, dass Velofahrer sich im Strassenverkehr besondere Rechte herausnehmen, insbesondere an Rotlichtern und auf Gehsteigen, weil sie sich eben für bessere Menschen hielten. Ist das so, sind Velofahrer bessere Menschen?

Eine durchaus komplexe Frage, die eine vielschichtige und sorgfältig überlegte Antwort verdient.

Diese Antwort lautet: Aber ja, und wie.

Vordergründig mag sie schwer verständlich erscheinen, diese Antwort. Um dem ausführlichen Blogpost und den teils geharnischten Reaktionen, die er hervorrief, gerecht zu werden, will sie etwas näher ausführen.

Man könnte ja durchaus anderer Meinung sein und antworten: „Ja, natürlich!“ oder „Sicher.“ Unbesonnene Zeitgenossen mögen sich gar dazu versteigen, auszurufen: „Was für eine blöde Frage!“ Eines haben diese Antworten erstaunlicherweise aber gemeinsam: Sie sind alle richtig. Denn: Man kann sich durchaus darüber streiten, welche Eigenschaften ein guter Mensch hat. Darüber wurden schon viele, viele Laufmeter schlauer Bücher geschrieben, in den Bibliotheken zu finden in den Abteilungen „Religion“, Philosophie“, „Moral“ oder „Aktzeichnen“. Gute Menschen mögen beispielsweise grosszügig, verantwortungsbewusst, mitfühlend, blond oder meinetwegen ………………….. (bitte nach Wunsch selber Einfüllen) sein. Jedenfalls, wenn sie regelmässig und mit viel Herzblut ihr Velo benutzen, können sie all das, was sie zu guten Menschen macht, besser. Sie können es besser und teilweise sogar länger.

Wer nämlich oft Rad fährt, ist entspannter, gesünder, früher da, lebt erst noch länger und hat deshalb mehr Lust und Zeit, seine grossartigen Eigenschaften an seiner Umgebung und seinen Mitmenschen auszuleben. Und so werden aus guten Menschen bessere Menschen. So einfach ist das nämlich. Lassen Sie sich von keinem dahergelaufenen Moralapostel etwas anderes weismachen. Der Autor des eingangs genannten Blogeintrags war seltsamerweise der Ansicht, wenn Velofahrer sich selber für bessere Menschen halten, sind sie das per se nicht. Nur wer von anderen zum Besserer-Mensch-Ritter geschlagen wird, sei ein solcher.

Das ist etwa so absurd, wie zu behaupten, man ist nach seinen Ferien nur dann sonnengebräunt, wenn einen ein Mitmensch als sonnengebräunt bezeichnet. Dabei reicht ein Blick in den Spiegel und ich sehe selber: „Aha, meine Haut hat zur Zeit einen besonders hohen Pigmentanteil. Ich bin also sonnengebräunt.“ Ebenso kann man als Velofahrer gelegentlich innehalten, sein Tun reflektieren und merken: „Aha, mein Körper ist gerade besonders gut durchblutet, weil ich mit dem Velo zur Arbeit gefahren bin. Ich kann also besonders gut denken im Moment und bin ein besserer Arbeitnehmer.“ Oder: „Ich puste jedes Jahr soundsoviele Megatonnen weniger CO2 in unsere Atmosphäre als wenn ich ein Auto benutzen würde. Ich bin also besonders nächstenliebend.“

Und keine Angst, liebe bürgerliche Politiker, liebe Kapitalisten, Konservativen und Schmetterlingssammler da draussen: Das funktioniert auch mit den Eigenschaften, die SIE für unabdingbar für einen guten Menschen halten. Man kann nämlich (mit gutem Grund übrigens) ganz viele Velos kaufen und ist dann ein besserer Kapitalist. Das Velo war vor dem Auto da, und darum sind Velofahrer eigentlich die besseren Konservativen. Mit dem lautlosen Velo kann man sich rasch und unbemerkt an ein Schmetterlingsrudel heranpirschen und ist darum ein erfolgreicherer Schmetterlingssammler. Und was immer bürgerlich im parteipolitischen Kontext bedeuten mag (man ist sich da ja in letzter Zeit nicht mehr so sicher): wer Velo fährt, kann bestimmt auch das besser.

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