Mea Culpa

Mea culpa (Titelbild: loonwatch.com) ist nicht die neuste Billig-Gruppe aus dem Hause Shimano oder ein Profi-Team aus dem Hause Petri (auch das gab es schon: Aqua e Sapone war anfangs der Nullerjahre ein vom Vatikan gesponsertes Profi-Veloteam; es wurde aufgelöst, nachdem mehrere Fahrer beim Doping mit Weihwasser erwischt worden waren.). Nein, mea culpa ist angeblich lateinisch und heisst „meine Schuld“, und Schuld will ich heute bekennen.

Ich gestehe alles. Heute auf dem Heimweg aus dem Büro, nach einem mühevollen Tag voller Denkarbeit, in leichtem Schneetreiben, knapp über dem Gefrierpunkt, habe ich gesündigt, der Versuchung nicht widerstanden. Ich hatte irgendwann im Dämmerlicht weit hinter mir einen einzelnen, recht hellen Scheinwerfer bemerkt:Scheinwerfer

(Foto typähnlich)

Ganz langsam kam er näher, fast unmerklich, so wie Weihnachten anfangs Dezember. Wohl gemerkt: Ich geniesse meine Nachhausefahrten am Abend und hetze nie, obwohl ich ein schönes Zuhause, wunderbare Kinder und eine grossartige Frau habe. Aber ich fahre eben gerne Velo, nicht im Bummeltempo, aber sicher auch nicht wie ein Bankräuber auf der Flucht. Trotzdem registriere ich, wenn sich ein Radfahrer von hinten nähert oder mich gar überholt. Es entsetzt mich nicht, betrübt mich nicht, freut mich nicht, ich nehme es einfach zur Kenntnis.

Der kaltweisse Scheinwerfer kam weiterhin gaaanz langsam näher. Da dämmerte es mir (Wortspiel!), dass es sich um ein eBike handeln musste, jene Spezies von Fahrrad, deren Daseinsberechtigung ich so spät erst anerkennen konnte, wie jeder einigermassen geneigte Leser dieses Blogs weiss. Ein helles Licht, das immer näher kommt – eBike. „Soll es mich doch überholen“, dachte es in mir, „mir doch egal. Ich habe es gemütlich und warm mit meinen Wollsocken aus Spitzbergen und der neuen Jacke aus dem Internet.“ Ausserdem macht es mir wirklich, wirklich nichts aus, von einem motorenunterstützten Velo überholt zu werden! Wieso auch, dann müsste mich ja jedes Auto, das an mir vorbeizieht, deprimieren. Unauffällig blickte ich ab und an zurück und stoppte ohne Uhr die Zeit, die verstrich, bis der Scheinwerfer nach einer Biegung wieder auftauchte. Zehn Sekunden, dann noch acht. Viel mehr Biegungen hat es dummerweise nicht auf meinem Heimweg. Dann waren wir am Fuss der anderthalb Kilometer langen Schlusssteigung angekommen, die hinauf in mein Dorf führt. Sechzig Höhenmeter, also mit Schwung zu fahren. Und da brachen alle Dämme in mir: Na, dann wollen wir doch mal schauen, ob du wirklich einen Akku unterm Hintern hast, du Scheinwerfer, sagte mein Unterbewusstsein. Ohne zu schalten, nahm ich, besser gesagt mein Körper, die Steigung in Angriff. Erst im steileren Mittelteil schaltete er einen Gang zurück, erhöhte aber gleichzeitig die Kadenz. Entgegen besseres Wissen versuchte ich sogar, an den Pedalen zu ziehen und rutschte mit meinen Halbschuhen ab. Am Ende des Steilstückes schaltete ich sofort wieder hoch und musste mich beherrschen, nicht aus dem Sattel zu gehen, aber das hätte ja ausgesehen, als ob ich ein Rennen fahren würde, und wer macht denn so etwas Blödes? Die zweitletzte Ecke sollte eine letzte Zwischenzeit liefern, aber der Scheinwerfer kam und kam nicht. Ich hatte ihn abgehängt! Meine rechte Faust sauste unwillkürlich in die Höhe:

Fabian_Cancellara_2517833b(Foto typähnlich)

Die linke Hand zerrte die rechte wieder runter, und mit Mühe konnte ich einen Sturz verhindern. Ich hatte also ein Fahrrad abgehängt, das offenbar kein eBike war und kein Rennen gegen mich fuhr. Na bravo. So weit war es mit mir gekommen. Sollte ich dermassen dämlich sein, auf die Weise Bestätigung zu suchen?

Ja, offenbar. Und es hat ein paar Minuten lang sogar Spass gemacht, gebe ich zu. Ich denke, die Rennvelosaison kann kommen.

 

Ein Gedanke zu “Mea Culpa

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