Die Schweiz hat wieder einmal gewählt. Die ganze Schweiz? Nein! Nur 246 Parlamentarier (zahlenmässig kein massiver Unterschied bei den heutigen Stimmbeteiligungs-Werten). Diese durften zwei neue Mitglieder für die Landesregierung bestellen, hatten die Wahl zwischen zwei Städtern und zwei Ländlern und wählten zweimal Land. Die Empörung ist nun gross im Land (wenn auch nicht auf dem Land), weil sich die zahlenmässig überlegenen Städter unterverteten fühlen. Da täuschen sich die Städter aber gewaltig, denn sie sind nicht unter-, sondern unvertreten. Karin Keller-Sutter ist diejenige Bundesrätin, deren Wohnsitz mit 24’000 Einwohnern der grösste aller Exekutivmitglieder ist, und da schon von Stadt zu reden, wäre etwas blasiert. Und überhaupt: wen stört’s? Bundesräte stehen ja hoffentlich über lokaler Interessenpolitik und sollten gegen Einflüsterungen von Lokalpolitikern ebenso immun sein wie gegen Attacken von Lobbyisten. Wenn dem nicht so wäre, gäbe es in der Schweiz wohl genügend Ärzte (Bundespräsident Cassis ist Mediziner!), und die Kühe hätten sicherlich noch Hörner (Ex-Bundersat in spe Ueli Maurer war mal Bauernlobbyist!). Würde den Parlamentariern während der Sessionen Wasser gereicht, wenn Guy Parmelin als Winzer auch nur einen Tropfen Einfluss aus seinem beruflichen Hintergrund schöpfen würde? Etwas verdächtig ist einzig Alain Berset, der Politikwissenschaften studiert hat und nun im Bundesrat unverhohlen Politik betreibt. Dennoch: Wer glaubt hier ernsthaft, die Städterin Eva Herzog aus Basel hätte sich im Bundesrat ausgerechnet für andere Städte wie Zürich stark gemacht? „Naiv“ ist wohl nur deren Vorname.
„Die Schweizer Städte sind selber schuld“, schnödet die Schweiz am Wochenende (Franceso Benini, 10.12.2022), denn: „Städtische Politiker (…) verstecken sich lieber im Schneckenhaus und sinnieren über die Optimierung von Velowegen.“ Klingt vorderhand unverdächtig. FDP-Urbanparlamentarier P. aus Z. verrät uns mehr dazu: „Der Gemeinderat diskutiert über die optimale Höhe der Randsteine für Velofahrer. Und über die Lösung des Kurdenproblems. Den Rest lässt er weg.“ Der Kausalzusammenhang wird zwar verschwiegen, aber die Kritik scheint mindestens im ersten Teil komplett daneben: Randsteine stehen Velofahrern – und im übrigen auch Velofahrerinnen, Herr Pflüger! – wirklich total im Weg und gehören daher ausgeschafft. Abgesetzte Radwege heisst die Lösung und auch die Losung, lieber Gemeinderat, bitte sehr, gern geschehen. Diese Äusserung macht wieder einmal klar, wieso sich die Partei FDP – Föck De Plänet! -nennt.
Linksgrün spielt inzwischen eher auf den Mann als auf die Soziodemographie des ganzen Gremiums. Nämlich auf Ölbert „Fingerabde“ Rösti, der als Erdöl- und Autolobbyist ausgerechnet das Umwelt-, Verkehrs- und Energiedepartement (UVEK) übernimmt. Das ist natürlich eine grosse Faust aufs Auge. Das ist in etwa so, wie wenn Donald Trump mit Abklärungen zur Neugestaltung der mexikanisch-amerikanischen Grenze betraut würde. Oder Vlad Imir Putin Amnesty International als Experte beraten würde.
Eines gilt es in dem ganzen Durcheinander ganz klar festzuhalten: mit dem Lamento über die Besetzung des UVEK seid ihr reichlich spät dran, liebe Linksgrüne! Der Zug ist doch längstens abgefahren! Simonetta Sommaruga war die Idealbesetzung für das UVEK, das ist klar. Aber wer statt ÖLbert Rösti hätte denn das UVEK sonst übernehmen sollen? Sein Parteikollege Guy ParmÖLin vielleicht? Kaum. Sommarugas Parteifreund und Co-Pianist (und Chefpilot, aber das ist ein anderes Thema) ÖLain Berset kommt ebenso wenig in Frage wie ViÖLa Amherd, Karin KÖLler Sutter oder Ignazio GASsis. Selbst Jung-Bundesrätin ÖLisabeth Baume-Schneider hat, was fossile Brennstoffe angeht, quasi keine weisse Weste mehr.
Die Nagelprobe für die steile These der Schweiz am Wochenende steht unmittelbar bevor: Wenn dieser „Feld-Wald-und-Wiesen-Bundesrat“ (Schweiz am Wochenende) sich tatsächlich nur einen Kuhdreck um die Städte schert, in denen Velowege ja ein so brennendes Politikum sein sollen, dann wird er gleich zu Beginn sicher das bereitliegende Veloweggesetz kippen statt es wie vorgesehen in Kraft zu setzen, oder? Die Wette gilt, Herr Benini.