Worum es geht
Wir bei velopflock sind bekennende Jünger von Guru Grant Petersen. Grant ist Gründer und Eigentümer von Rivendell Bicycle Works, einem Hersteller eher altmodisch anmutender, aber konsequent durchdachter Fahrräder für jeden Zweck, mit Sitz im idyllisch klingenden Walnut Creek in Kalifornien. In Europa ist Petersen einem grösseren Publikum bekannt wegen seinem Buch „Just Ride – A Radically Practical Guide To Riding Your Bike„. (An dieser Stelle ein gute gemeinter Hinweis: Wer sich oft und gerne mit Gewichtsoptimierung, Strava, Carbon als Rahmenmaterial oder dem perfekten Reifendruck beschäftigt, vertieft sich am besten in einen anderen unserer Posts. Sie oder er würde nicht glücklich.) Wer mehr über Grant Petersen wissen will, kann sich ein Interview von Jack Thurston, dem Host von The Bike Show, anhören.
Grant schreibt auch mehrere Blogs. In einem davon, genannt Blahg, hat er irgendwann einmal satte 50 Tips for Happy Riding veröffentlicht. Fast noch mehr als sein Buch Just Ride beschreiben diese Tipps, wie Grant und seine Leute ticken. Wie simpel Radfahren sein kann, wie komplex gleichzeitig der Aufbau eines Fahrrades ist, wenn es seiner Fahrerin und seinem Fahrer passen und gleichzeitig seinem Verwendungszweck entsprechen soll. Wir hier bei velopflock befassen uns oft mit Velos, aber was Grant in seinen Blogs oder auf Instagram zeigt, eröffnet uns immer wieder neue Welten. Deshalb haben wir schon einige Posts über Rivendell, seine Velos oder schräge Methoden wie mit Schellack überzogene Lenkergriffe aus Baumwollband veröffentlicht.
Die Leute bei Rivendell sind spätestens seit dem Ausbruch der Pandemie sehr stark beschäftigt. Deshalb konnten sie meine E-Mail-Bitte um die Erlaubnis, die Tips for Happy Riding auf Deutsch zu übersetzen und bei uns zu veröffentlichen, nicht beantworten. Ich hoffe nun, sie sind mir nicht böse, wenn ich es trotzdem tue. Und nochmals für alle: Was hier folgt, hat Grant Petersen in seinem Blahg veröffentlicht, das ist nicht von uns! Herzlichen Dank, Grant!
Einige Punkte sind auch für uns neu und wundersam (16, 26 oder 33). Dann gibt es Tipps, die wir nicht so recht verstehen (35 oder 50). Und dann ist da der ganze Rest, der uns ziemlich aus dem Herzen spricht, so wie die Nummern 4, 9 oder 28. Mein persönlicher Favorit ist die 43, die ich seit meinem 14. Lebensjahr umsetze.
Irgendwann, wenn wir aus irgendwelchen wilden Gründen längere Zeit nicht velofahren können (Harter Lockdown? Geiselhaft? Meteoriteneinschlag?), werden wir die Tipps kommentieren und mit Links versehen. Aber nun macht euch erst mal selber ein Bild. Das Original ist oben verlinkt, und wer es liest, ist bitte nicht zu streng mit unserer Übersetzung, ja? Viel Spass!
Tips for Happy Riding
- Lerne von allem Anfang an, dass die Vorderbremse wirksamer ist und dass das Vorderrad nie blockieren darf (auf Wegen oder auf der Strasse, aber auf Wegen ist das wahrscheinlicher). Finde heraus, wie weit du in die Kurve lehnen darfst, ohne mit dem Pedal den Boden zu berühren.
- Lerne, in der Kurve das innere Pedal OBEN zu halten und unter allen Bedingungen sicher zu fahren. Sei der Herr und Meister deines Fahrrads
- Kündige dich Fussgänger*innen an, besonders, wenn sie älter sind. Eine Glocke ist besser als „Achtung links!“. Hast du keine Glocke, dann klappere mit den Bremsgriffen. Hast du nichts anderes als „Achtung links!“, ist das auch in Ordnung, aber wenn du oft auf Wegen fährst, dann besorg dir eine Glocke.
- Lass mindestens für eine von zehn Ausfahrten Sonnenbrille und Handschuhe zu Hause. Nimm dir vor, innert eines Monats normale, billige zweiseitige Pedale an ein gutes Rad zu schrauben und in Strassenkleidung zu fahren. Das funktioniert erschreckend gut und und ist ein ermutigendes Zeichen für Menschen, die auch gern anfangen würden, Velo zu fahren.
- Nimm immer einen Ersatzschlauch mit, den du jemandem geben kannst, der einen Platten, aber nur ein Reparaturset hat.
- Wenn du ein Mann bist, dann versuche, nicht jeder Velofahrerin, die du triffst, schlaue Tipps zu geben.
- Fahre nicht mit Schuhen, in denen du nicht auch einen Antiquitätenladen betreten könntest.
- Trag keine Kleider, die deinen Schweiss noch übler riechen lassen.
- Glaube nicht, du wirst bedeutend schneller, wenn du und dein Velo aerodynamischer werden.
- Steck einen Zwanziger in deine Sattelstütze oder in deinen Lenker und befestige ihn dort irgendwie.
- Fahre nicht Rad, solange du nicht problemlos einen Platten reparieren kannst.
- Wenn du mehrere Velos fährst, schaff dir für jedes ein Werkzeugset zum Mitnehmen an. Lerne das Hinterrad zu demontieren (Kette auf das kleinste Ritzel etc.).
- Wenn du in einer Gruppe fährst, nimm Verpflegung mit für dich und jemanden, der das vergessen hat.
- Unternimm manchmal eine einstündige Ausfahrt in zu leichter Kleidung, denn es hilft, ab und zu zünftig zu frieren auf dem Velo. Das Umgekehrte – zuviel Kleidung bei warmem Wetter – ist nicht nötig!
- Schieb die Schuld nie auf dein Rad oder deine Gesundheit oder sonstwas, wenn du der Letzte auf dem Hügel oder beim Zwischenstopp bist.
- Wenn die Gummis deiner Bremsgriffe schwarz sind, nimm eine andere Farbe für das Lenkerband, sonst sieht das Ganze aus wie ein einziges Teil.
- Sieh zu, dass deine Kette niemals quietscht.
- Wenn du in einer Steigung einen Fahrer überholst, sag zu ihm mehr als nur „Hallo“. Ist es aber eine Frau und du nicht, dann nimm nicht einfach an, sie wolle plaudern. Sprich sie auf eine Weise an, wie du möchtest, dass ein gewöhnlicher Fahrer deine Frau / Tochter / Freundin anspricht.
- Wenn du eine Frau bist und einen Mann überholst, kannst du plaudern, so viel du möchtest, das wird ihn nicht stören.
- Wenn du einen Fahrer oder eine Fahrerin zu dir aufschliessen siehst, dann lass es zu. Spass haben ist wichtiger, als schnell zu sein.
- Nimm manchmal ganz gewöhnliche Verpflegung mit auf eine Tour, manchmal gar keine. Wenn du einigermassen ausgeruht bist und irgendetwas gegessen hast in den vergangenen achtzehn Stunden (und keine Diabetes hast), solltest du zwei bis drei Stunden radeln können, ohne zuvor deinen Stoffwechsel mit Kohlenhydraten zu überladen. Glaub es oder nicht: Kohlenhydrate machen dich dick und sind nur für lange, anstrengende Fahrten erforderlich.
- Mach unterwegs Fotos und schick sie jemandem.
- Kombiniere ungeniert Hightech und Lowtech, alte und neue Teile und Technologien, und entschuldige dich bei niemandem dafür.
- Sag was Gutes über die Fahrräder anderer Leute, besonders wenn sie neu sind [Anm. d. Red.: sie – die Leute oder die Räder?]
- Kauf den billigsten Helm, der dir gut sitzt.
- Probier für hohe Temperaturen Hemden aus Seersucker-Stoff aus, am besten langärmelige.
- Unterschätze Feigen-Riegel nicht. Wenn du etwas Neues findest, dann schwör nicht gleich darauf.
- Kauf nicht immer das Günstigste, und frage bei deinem lokalen Fahrradhändler nie nach Rabatt. Gib mindestens zwei Dollars aus, wann immer du einen Fahrrad-Laden betrittst. Wenn du guten Rat zu einer Frage bekommst, dann gib fünf Dollars aus.
- Wenn du einen Gepäckträger kaufst, dann bitte nicht um eine kostenlose Montage.
- Glaub nicht, dein Fahrradhändler verdiene Geld.
- Geh nur radfahren, wenn dir danach ist.
- Wenn du jemanden kennst, der schnell fährt, dann rat ihm nicht, er müsse „unbedingt Rennen fahren“.
- Siehst du eine kräftige Radfahrerin, gib ihr nicht den Ratschlag, Bahnrennen zu fahren.
- Schau, dass du mindestens ein Velo hast, auf dem du dich im strömenden Regen wohl fühlst.
- Geh dann fahren, wenn andere wegen des Wetters daheim bleiben.
- Achte nie auf deine Tretfrequenz.
- Wenn es eine Runde gibt, die du häufig fährst, dann zähle, wie oft du darauf schaltest. Das nächste Mal schalte halb so oft und schau, ob das einen Unterschied macht.
- Lerne, freihändig zu fahren und über Hindernisse zu springen, aber nicht gleichzeitig.
- Ramme nie einen Fussgänger. Mach dich sichtbar im Verkehr und sei höflich. Denk nicht, du müsstest ein Vorbild für alle anderen Velofahrer sein; sei höflich aus Eigennutz.
- Wenn du mehrere Velos besitzt, statte sie unterschiedlich aus, aber fahr immer deinen Lieblingssattel.
- Bleib in Abfahrten nicht am Hinterrad schnellerer Fahrer, wenn du kein guter Abfahrer bist.
- Entschuldige dich nie dafür, dass du kein Profi-Material kaufst, indem du sagst:“Ich fahre ja keine Rennen oder sowas.“
- Wenn du ein Rad von der Stange kaufst, dann mach daraus etwas, das es sonst nirgendwo auf der Welt gibt.
- Glaub nicht, dass Nabe oder Felge an beiden Rädern eines Velos dieselben sein müssen.
- Wenn du das Velo von jemandem ausleihst, sei es für eine kurze Testfahrt oder eine längere Tour, dann sag hinterher etwas Positives darüber.
- Nimm immer eine Pumpe mit.
- Bau mindestens einmal selbst ein Laufrad.
- Benutz alles, solange es seinen Zweck erfüllt.
- Bezeichne nie ein Velo, wie billig oder heruntergekommen es auch sein mag, als „ein Stück Schrott“.
- Wenn jemand ein schickes Velo zusammenbaut für dich, dann beklag dich nicht über den einen oder anderen Kratzer daran, besonders, wenn es um ein richtig teures Rad geht.