(Beitragsbild: burnthecurtain.co.uk via Boneshaker Magazine)
Ich bin kein Freund der Entscheidungen, bin ich nie gewesen. Eine Wahl zu treffen, und sei es zwischen noch so wenigen Optionen, stellt mich vor ernsthafte Schwierigkeiten. Das fing beim Lieblings-Fussballklub meiner Kindheit an und zog sich über die Berufswahl bis hin zur Entscheidung, welche Farbe denn mein neuer Stahlrahmen kriegen soll. Und was hatte ich jeweils mit den Kandidaten gelitten, wenn Robert Lembke sie fies in die Enge trieb mit seinem „Welches Schweinderl hätten’s denn gean?“
In dieser Zeit der Pandemie-Massnahmen werden einem aber endlich solche mühseligen Stellungnahmen abgenommen: Hand oder Küsschen geben? Einkaufen gehen oder Velo fahren? (Zugegeben, das war ein No-brainer, wie der Amerikaner so treffend sagt.) Hingehen und Smalltalk machen oder stattdessen in einen grossen Bogen weitergehen? In den Süden über Ostern oder zu Hause bleiben? In die Hand husten, in die Armbeuge oder gar, ganz nature, frei hinaus? All diese Entscheidungen trifft dieser Tage der Bundesrat für uns, und er macht das gar nichts schlecht. Und Kochs Dänu verkündet sie uns dann, abends in der Tagesschau, in professionell-sachlicher, aber gleichzeitig väterlich-fürsorglicher Manier.
Aber nach sechs, sieben Wochen fühlt sich auch der unschlüssigste Mensch langsam bereit, eine Auswahl an irgendetwas zu treffen. Dabei denkt er oder sie nicht gleich an „Maske oder keine Maske?“, die Eigernordwand unter den Fragen, aber vielleicht wählt sie oder schon mal selbständig aus, welche Trainerhose anzuziehen ist, ein Voralpenhügel, sozusagen.
Mit dem schönen Wetter am letzten Wochenende schoss auch mir der Mut ins Herz, aber wie! Ich stellte mich, die Füsse eine Rennlenkerbreite auseinander fest auf den Asphalt gepflanzt, vor das Garagentor und warf es schwungvoll auf. Ich blinzelte, um mich an die Dunkelheit unseres Velostalls zu gewöhnen. Wohlan, es war Heldenzeit, und ich schritt ins Herz der Finsternis. Vor Wochen schon hatte meine Frau mich informiert, dass sich die Glocke von ihrem Fahrrad verabschiedet hatte – nein, falsch, das hatte ich selber herausfinden müssen. Dem Familienmechaniker sagt man sowas ja nicht. Und jetzt, am vergangenen Samstag, war ich endlich soweit, eine Ersatzglocke auszuwählen. Tief griff ich in meine Teilekiste und ertastete zwei Modelle:

Ich rang mit mir. Man muss wissen: Der Lenker des Velos ist schwarz. Es handelt sich um ein modernes Trekkingrad, Kettenschaltung mit zwanzig Gängen, Nabendynamo, gerader Lenker. Stets grosse Taschen hinten auf dem Träger.
Keine Ahnung, woher ich die schwarze, finstere Billig-Glocke habe. Die silberne, das weiss ich, habe ich einem alten Schweizer Armee-Rad abgeschraubt, welches ich vor über zwanzig Jahren einem Freund abgekauft habe. Ein grosses Verlustgeschäft war das, denn es hatte von Anfang an irreparable Schäden und fuhr mit mir nie einen Meter weit, ohne laut mit dem Tretlager zu knacken. Die Glocke allerdings war offensichtlich kein Original-Teil. Besitzen echte Armee-Räder überhaupt Glocken? Das würde den SOldaten ja verraten!
Form und Farbe sprachen auf den ersten Blick für Darth Vader, weil der, hässlich wie er ist, irgendwie besser zum Velo passte. Die solide Bauweise und das klassische Design hingegen drängte mich sehr, Richard Löwenherz zu verschrauben. Als nächstes liess ich beide Glocken ihren Job machen, nämlich klingeln. „Dzinnng“ sprach Darth Vader, “ Rring-rrinnng“ schallte Richard.
Klare Sache. Feierlich kniete ich nieder, senkte mein Haupt, so gut es ging, denn ich musste bei aller Feierlichkeit ja eine zuverlässige Montage vornehmen, und schraubte König Richard ans Rad meiner Maid Marian. Lag ich damit richtig?
Ein Gedanke zu “Welches Glockerl hätten’s denn gean?”