Nach einer Woche Skiurlaub in den Bergen quillt mein Hirn nicht gerade über vor Ideen für Blogeinträge. Skifahren scheint nicht dieselbe Wirkung auf die Kreativzonen des Hirns zu haben wie Radfahren. Trotzdem, es gibt durchaus Berührungspunkte zwischen Piste und Strasse oder Trail.
Dabei geht der Puls bei Skiabfahrten durchaus hoch, zumal auf Pisten: da sind die gemieteten Carvingski, auf denen es sich so ganz anders fährt als auf den alten Latten, als ob sich ein Pöstler kurz vor der Pensionierung auf ein Bahnrad setzen würde. Die Oberschenkel pumpen ordentlich und brennen wie auf einer Rekordfahrt am Brenner (ein platter, ich weiss, aber durchaus korrekter und anschaulicher Vergleich, oder kann man den Brenner nicht mehr mit dem Fahrrad hochfahren?). Dann sind da die ganzen anderen Abnehmer von Tageskarten für die Wintersportarena, die mit denselben technischen Fortschritten unter ihren klobigen Skischuhen zu kämpfen haben. Near misses nennt man das auf Englisch, was verglichen mit der vertrauten deutschen Beinahekollision etwas Platz spart und eleganter ist. Was ich im Lauf dieser Woche an nears gemissed habe! (Doch habe ich mich keinerlei Misses geneared, unter anderem, weil ich keine gesichtet habe.) Meine Unfallversicherung hätte die Hände vors Gesicht geschlagen, wenn sie das eine oder andere besässe. Und schliesslich fährt man auch Ski, wie Fahrrad, an der frischen Luft. Frisch geföhnt, sogar, so dass am letzten Tag fast alle Transportanlagen im Skigebiet wegen Sturm geschlossen werden mussten. Ganze Carladungen von kurzfristig angereisten Schnäppchenjägern in Skimontur standen ratlos auf öden, schlammigen Parkplätzen herum.
Trotzdem: keine zündenden Ideen für Blogeinträge. Aber Ferien sollen ja auch eine Auszeit sein. Deshalb gingen wir mehrmals aus, essen und trinken. Die bisherigen Anstrengungen in diesem Kalenderjahr auf der Rolle wurden gründlich zunichte gemacht. Ein Glück, waren es nicht allzu viele.
Fahrradtraining ist allerdings durchaus ein Thema im Skiurlaub. Dies ironischerweise (wenn man eine etwas kranke Auffassung von Ironie hat) auch dank den Autofahrern des zwanzigsten Jahrhunderts, welche den aktuellen Klimawandel nicht nur mit angeschoben, sondern ihm auch gleich ordentlich Zunder gegeben haben. So kann heute bereits Ende Februar auch in den Alpentälern seriöses Training auf der Strasse stattfinden, oder erste Familientouren. Umgekehrt sind vor den Talstationen der Bergbahnen neben Skier und Schlitten heute auch Fatbikes zum Mieten aufgereiht. Daran haben nicht alle Freude, aber das kriegen wir schon in den Griff:
Es fragt sich allerdings, ob Fatbikes auf dem meist hartgepressten und krustigen Alpenschnee wirklich so viel Spass machen wie da, wo sie herkommen, in den Wüsten und Steppen des amerikanischen Westens.
Ein grosses Thema auf der Skipiste ist wie bei den Velofahrern die Sicherheit. Die Skifahrer fahren voll ab auf Helme und bringen eine Helmtragequote zustande, von der die Velofahrer (mindestens die entsprechend eingestellten) nur träumen können: 92 % im vergangenen Winter, gemäss offizieller Statistik der Verhütungsstelle für Unfallberatung bfu! Die Radler, das todessüchtige Pack, schaffen es auf dem Statistikportal statista.com gerade mal auf 49 %. Die Gründe dafür sind mannigfaltig: Wer keinen Skihelm trägt, hat stattdessen meist eine Mütze auf. Die Frisur ist also sowieso ruiniert, da stülpt man sich doch lieber gleich einen Helm über. Der Velofahrer aber kann sich für etwas mehr Verletzungsrisiko (je nach Statistik, die man befragt) eine einigermassen intakte Haarpracht kaufen. Weiter sind Skifahrer in der Gondel der Bergbahn dem Gruppendruck ausserordentlich viel stärker ausgesetzt als die individualistischen Radfahrer auf dem Radstreifen. Diese kriegen dafür in den Medien, insbesondere auf den Leserbriefseiten von Radzeitschriften, ihr Fett ab, wenn sie keinen Helm tragen. Und schliesslich ist ein gewisses Bedürfnis nach Sicherheit durchaus verständlich, wenn man sich auf den Skipisten bewegt. Da brettert man im Strom mit Menschen unterschiedlichsten Könnens dahin, nach rudimentären und ungeschriebenen Regeln, mit Geschwindigkeitsdifferenzen, die im innerstädtischen Verkehr nicht vorkommen (sollten), ohne vorgegebene Wege und in Mengen wie früher mal Radfahrer in China unterwegs waren. Rette sich, wer kann! Kein Wunder, fehlt in kaum einer Skistation die Kirche.
Selbstverständlich lassen sich eine Freizeitsportart und ein Verkehrsmittel nicht vergleichen. Schauen wir uns also mal die sportlichen Ausprägungen (hat hier jemand „Auswüchse“ genuschelt?) des Radfahrens an. Da gibt es eine Zahlenbasis. Der Statusbericht 2016 der bfu weist für die Jahre 2009 bis 2013 im Jahresschnitt 51’260 verletzte Alpinskifahrer aus, 8’630 verletzte Mountainbiker und 5’750 verletzte Radfahrer (ohne Strassenverkehr). Nun gibt es natürlich bis jetzt nicht so viele Mountainbiker wie Alpinskifahrer. Da hilft uns die Studie Sport Schweiz 2014 des Bundesamtes für Sport weiter. Diese gibt Umfragewerte für die Bevölkerungsanteile an, welche verschiedene Sportarten regelmässig betreiben. multipliziert man diese Werte mit der Einwohnerzahl der Schweiz (sagen wir mal: acht Millionen), so kriegt man einigermassen realistische Relationen. Dann hätten wir nämlich auf 100’000 Sporttreibende folgende Verletztenzahlen: 1’810 Skifahrer, 1’712 Mountainbiker und 185 Radfahrer.
Für mich ist damit klar:
- Skiurlaub mach ich nicht mehr – zu gefährlich und zu teuer. Und zu abgehoben (siehe oben).
- Aufs brandgefährliche Bike setze ich mich noch, wenn auch nur mit Helm, und in ganz abgelegenen Gegenden. Ausserdem ist das noch erschwinglich.
- Nächsten Winter gibt’s bei uns einen Radurlaub in den Alpen. (Danke an die Autofahrer.)