Fahrrad, nicht Fussball. Überall und rund um die Uhr und wohl bis in alle Ewigkeit

Allzu kryptisch ist der Titel dieses Posts ja nicht, er sei aber trotzdem kurz erklärt: Ich finde Velos – ob fahren, putzen, reparieren oder sie einfach nur anstarren – jederzeit attraktiver als ein Fussballspiel europäischer Herrenmannschaften, und das dürfte noch für eine Weile so bleiben. Bis ein Fussballfeld wieder so aussieht:

Tooooooor!
Tooooooor!

Ein Profi-Fussballspiel im Jahr 2016 zu verfolgen verspricht in etwa so viel Aufregung wie dem Hinterrad eines Velos beim Drehen auf dem Ständer zuzuschauen: sehr wahrscheinlich passiert nichts ausser der Drehung des Rades, aber vollständig auszuschliessen ist es nicht, dass die Kette durch eine unglückliche Verkettung von höchst unglücklichen Umständen vom Ritzel hüpft und sich möglicherweise sogar noch im Lenker verfängt, worauf das gesamte Fahrrad kippt und auf Lenker und Sattel wieder zum Stehen kommt. Dieses Ereignis würde im Fussball wahrscheinlichkeitsmässig dann etwa dem Einzug eines skandinavischen oder niederländischen Vereins in den Halbfinal der Champions League entsprechen.

Klar, der Profi-Radsport steckt in der gleichen Sackgasse wie der Fussball, und auf dem Sackgasse-Schild steht ein Dollar-Zeichen, gross und fett. Aber dort gibt es immerhin Konstanten, die kein Sponsor aus dem Weg räumen kann: Pavés-Klassiker. Den Mont Ventoux und zahlreiche Alpen- und Pyrenäenpässe. An Rennen auf diesem Terrain wird man sich noch erfreuen können, wenn alle Velos einen Motor eingebaut und alle Fahrer einen EPO-Tropf eingepflanzt haben. Wovor uns aber die Madonna del Ghisallo bewahren möge.

(Bild von Amy Erickson auf flickr.com)
(Bild von Amy Erickson auf flickr.com)

Aber hier wird sowieso nicht Fussball mit Radsport verglichen, sondern mit jedweder Art, sich mit einem Fahrrad zu beschäftigen. Wie ich auf dieses Thema, das eigentlich nichts mit Velos zu tun habe, komme? In der letzten Ausgabe von Das Magazin hat der Journalist Lars Jensen die Gründe für meine Abscheu gegenüber dem Profifussball ganz toll umschrieben. Als ich den Artikel las, befielen mich kinomässig grosse Emotionen. Sie glichen jenen, die mich in den Achtzigern ergriffen haben, als endlich wieder mal richtige Pässe auf den Etappenplan des Giro d’Italia gesetzt wurden. Da hatte sich Francesco Moser endlich zum Stundenweltrekord verabschiedet, so dass man ihn nicht mehr den Giro durch einen massgeschneiderten Parcours gewinnen lassen musste. Oder als Sturmey Archer wieder Teile herzustellen begann. Oder als Pinochet nach Chile ausgeliefert wurde. So in der Art.

Lars Jensen, Warum ich keine Champions League schaue. Das Magazin, Ausgabe 17 vom 30.4.2016, pp.26 f. Da steht zum Beispiel drin:

DasMagazin, No. 17, 30.4.2016, S.27
DasMagazin, No. 17, 30.4.2016, S.27

Oder:

DasMagazin, No. 17, 30.4.2016, S.27
DasMagazin, No. 17, 30.4.2016, S.27

Und weil, wie überall, die Reichen reicher und die weniger Reichen ärmer werden, spielen die immer gleichen besten Spieler in einer Art Inzucht-Liga aus einer Handvoll superreicher Klubs, die von Öl-Multis aus Öl- oder Schurken-Staaten (oder gleich von den Öl- oder Schurken-Staaten selber) ausgehalten werden. Solche Sachen stehen da drin. Vielleicht findet ihr die Nummer ja noch im Altpapier eures Nachbarn. Es lohnt sich, die Peinlichkeit zu ertragen, wenn ihr im Keller oder auf dem Trottoir beim Wühlen erwischt werdet.

Und dabei redet Herr Jensen nicht mal vom Narzissmus, der all die Jungmillionäre beseelt. Das macht dafür Büne Huber. Lohnt sich auch:

Ich freue mich schon auf heute Abend. Da ist Champions League am Fernsehen. Ich schnapp mir dann ein Bier, Chips und den Garagenschlüssel und schaue mir meine Rohloff  beim Drehen auf dem Ständer an. Nachher starre ich ein Weilchen in meine goldene Veloglocke und mache Grimassen, das macht so lustige, verzerrte Spiegelbilder. Dann zähle ich die Speichen am Vorderrad meines Rennvelos. Die sind übrigens radial eingespeicht, was extrem schneidig aussieht. Anschliessend rolle ich alle meine Reserve-Schläuche neu auf und prüfe sie auf Lagerschäden, und bis dann sind neunzig Minuten auch langsam um. Das wird ein richtig guter Fussballabend gewesen sein.

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