Fatbike: Vélo fatal?

Mit etwas Verspätung, wie jeder anständige Kinofilm auch, ist das Fatbike in Europa angekommen, das Mountainbike mit grotesk breiten Reifen, dafür in der Regel ohne Federgabel. Erfunden wurde es in Amerika, wie schon der verchromte quaderförmige Serviettenspender oder der toupet-tragende Sexist-Rassist. Mit einem Fatbike fährt man abseits der Strassen mit zehn Zentimeter breiten Stollenreifen komfortabel und flink über Dünen, durch Bachbetten oder über verschneite Felder. Die Industrie hat sofort fantasievoll gestaltetes Zubehör hinterher geliefert, in Form von voluminösen Taschen und Gepäckhalterungen für an den Lenker, an die Vordergabel, ins Rahmendreieck, aufs Oberrohr, unter den Sattel, ins Tretlager, zwischen die Ritzel, an die Speichen oder auf die Ventilkappen. Mit diesem Zubehör, erläutern Fachmagazine seither auf allen Kanälen, kann man „Bikepacking“ betreiben. Das ist eine Mischung aus Biking und Backpacking, wobei Letzteres Wandern mit Gepäck für eine oder mehrere Übernachtungen bedeutet, unabhängig von jeglichem Nachschub, in Europa häufig Trekking genannt. Das Konzept ist recht praktisch, weil sich ein derart beladenes Fatbike dank der Verteilung der Lasten auch auf Singletrails oder abseits davon recht wendig fahren soll. Das Problem ist einzig, abends jeweils die Zahnbürste am Velo wiederzufinden. War sie im Lenker oder an der linken Kettenstrebe? Solange jedenfalls kein Gepäckträger mit herkömmlichen Fahrradtaschen zum Einsatz kommt, ist man dabei:

Bikepacking

In Europa dürfte das Fatbike nicht genau denselben Platz in der Fahrrad-Landschaft finden wie im Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten. Denn hier sind offene, ungenutzte Flächen ohne Wege, die mit einem Velo befahren werden können, ohne dass der Besitzer oder Nutzer des Landes gestört würden, leider ziemlich rar. Oder umgekehrt formuliert: Der Bedarf für ein Fatbike ist angesichts der vielen Wege und ihrer ausgezeichneten Dokumentation auf Tourenportalen, Bikekarten und Internetforen nicht so recht gegeben. Oder nochmals umgekehrt wäre es eine echte Leistung, im Schweizer Mittelland mehr als zwanzig Kilometer abseits von Wegen zu fahren, ohne sich ständig in einem engen Kreis zu drehen. Wer solches auch noch self-supported täte, würde mit Fug und Recht psychiatrisch zwangsbehandelt.

In den Alpen, Mountainbike-Territorium par excellence, ist Radeln abseits von Wegen aus gesundheitlichen Gründen schon gar nicht zu empfehlen. Dort kommt das Fatbike eher auf Schnee zum Einsatz, wenn Ausfahrten mit einem gewöhnlich bereiften Bike zur Rutschpartie geraten. Im gerade ausklingenden Winter, der so ganz aus der Art geschlagen ist, wurden in einzelnen Tourismusgebieten die Fatbikes zum Retter der Wintersaison ausgerufen: Konnte man nur in den höchsten Lagen Ski fahren, so lag vielerorts doch noch genug Schnee, um Touren mit einem Fatbike zu unternehmen, die wenigstens zur Hälfte auf weissem Grund verliefen. So standen nicht selten Mietfatties neben Mietskiern vor den Sportgeschäften an den Talstationen der Bergbahnen.

Inzwischen hat sich der Winter doch noch eines Besseren besonnen und ein wenig Schnee rausgerückt. Die Fatties sind damit aber nicht überall verschwunden. Die Biker sind auf den Geschmack gekommen. Damit zeichnet sich der nächste Konflikt von Radfahrern mit anderen Wegnutzern ab: Fatbiker sind gelegentlich auf Langlaufloipen anzutreffen – in unbehandeltem zwanzig Zentimeter tiefem Pulverschnee würde sich eben auch ein Vierzoll-Reifen nicht dermassen leicht fahren, da kommt so eine fachmännisch präpaierte Loipe gerade recht. Entlang Schweizer Loipen ist deshalb vermehrt dieses Schild zu sehen, auf dem recht eindeutig ein Fatbike zu erkennen ist:

Fatbikeverbot

Es wird interessant sein, ob Fatbiker und Langläufer in Zukunft werden koexistieren müssen, oder ob das Fatbike bei uns nur ein Spleen für Gerneabenteurer oder ein Lifestyle-Objekt in der Art des SUVs bleiben wird. Das Dickrad lockt schliesslich auch mit dem Versprechen „Damit könntest du, wenn du nur wolltest!“, wobei die allerwenigsten der Käufer jemals möchten wollen. Und wenn man sich die kümmerliche Anzahl schmutziger BMW X4s oder Porsche Cayennes auf unseren Strassen vor Augen führt, sieht das Konfliktpotential auf der Loipe auch schon wieder viel kleiner aus.

Interessant wäre es allerdings auch, die Meinung des Wildhüters zum Thema Fatbike als Winterspielzeug zu hören. In Kombination mit den potenten modernen Scheinwerfern ermöglichen Fatbikes nämlich prächtige Trainings nach Feierabend oder Vollmond-Touren auf den zu der Zeit leeren Loipen oder Winterwanderwegen. Das wiederum ist für das ruhebedürftige, eh schon vom Wolf gestresste Wild äusserst ungünstig. Nicht auszuschliessen also, dass ab einer gewissen Population auch Fatbiker zum Abschuss frei gegeben werden. Wir berichten zu gegebener Zeit über weitere Entwicklungen. In der Zwischenzeit:

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