Eigentlich gehört das jetzt ja nicht recht hierher, weil dieser Blog nicht ein politischer sein soll. Aber was sich da zugetragen hat, betrifft VelofahrerInnen eben schon. Aber der Reihe nach.
Ich fahr also am letzten Freitag mit der Rhätischen Bahn. Auf der Plattform des Wagens stehend, kurz vor dem Aussteigen, kann ich nicht anders, als eine kurze Unterhaltung mitzuhören. Eine Dame zwischen sechzig und siebzig, weisser Kurzhaarschnitt, hört ihrerseits die Unterhaltung einer Skitourengruppe auf dem Rückweg ins Mittelland mit. Es geht darum, wer wo um- oder aussteigt und welchem weiblichen Gruppenmitglied die Skier nach Hause trägt. An dieser Stelle schaltet sich die besagte Dame ein: „Manchmal wäre halt so ein Auto (ausgesprochen wie in „Auto: Igitt!“ Anm. d. Red.) schon noch praktisch, nicht wahr?“ „Fahren Sie denn nicht mehr Auto?“ fragt einer der Tourenfahrer – offensichtlich mehr aus Höflichkeit als aus Interesse – zurück. Die trockene Antwort: „Ich bin Mitglied der grünen Partei.“ Punkt, Thema erledigt. Sie hätte auch sagen können: „Mein Enkel kommt jetzt auch schon bald in den Kindergarten.“ Das hätte ungefähr gleich viel mit der Beantwortung der Frage zu tun gehabt.
Ich meinerseits hätte fragen können: „Und Grüne fahren nie Auto, sondern fliegen immer, weil Engel ja Flügel haben?“ Hab ich aber nicht getan, weil ich etwas platt war ob so viel Selbstgerechtigkeit.
Und hier kommt nun die Bedeutung für uns Velofahrer: Eine starke grüne Partei in den Parlamenten von Gemeinden, Kantonen und Bund oder überhaupt eine schwungvolle Umweltbewegung könnte sicher mithelfen, bessere Randbedingungen für Alltagsvelofahrer auf den Schweizer Strassen zu schaffen. Aber die Partei, so wie die ganze Umweltbewegung in der Schweiz, leidet unter genau solchen Leuten wie der netten Dame aus dem Zug. Diese vermitteln das Bild des dogmatischen Umweltschützers: wer „grün“ ist, fährt nicht Auto, fliegt nicht, raucht nicht, trägt handgestrickte Sachen und Ledersandalen, isst bio-vegetarisch, rasiert sich selten bis nie (Männer) oder trägt bunte Tücher um den Kopf geschlungen (Frauen) und träumt vom Paradies. Ein Fröscheschützer und Zucchetti-Selbstversorger. Ein grüner Fundi, eben, ziemlich unsexy. Und dieses Klischee wird dann jedem um die Ohren gehauen, der sich im Betrieb, in der Gemeinde oder sonst irgendwo für den Umweltschutz einsetzt. Das geht so weit, dass sich Leute von Pro Velo, der Lobbyorganisation der Velo Fahrenden, Sorgen machen müssen, „in die grüne Ecke gestellt“ zu werden. Grün droht zum Unwort zu werden!
Dabei gibt es ja auch die anderen. Bei den Grünen in Deutschland wurden sie früher Realos genannt. Allgemein: Umweltbewusste Leute, egal, welcher politischen Ausrichtung, die sich mit Lust und Vernunft Mühe geben, möglichst wenig Dreck zu machen, während sie ihr Leben leben. Missionieren nicht, nörgeln nicht, machen einfach vor der eigenen Türe sauber. Wenn der neue Kühlschrank der Energieeffizienzkategorie A nicht in den Veloanhänger passt, dann leih ich mir halt kurz Nachbars Auto aus. zu Grossmutters Beerdigung in Amerika flieg ich natürlich schon hin (ich verteil dann dafür nicht die ganze Asche im Wind). Aber die Pragmatiker kriegen immer wieder eins auf den Deckel von ihren Mitmenschen, die genervt sind von den „grünen Fundis“ mit ihrem Anspruch, den einzig richtigen Weg zu gehen. Nähme mich wunder, wie viele Leute sich morgen wieder mit dem Auto auf den Weg zur Arbeit machen, nur aus Trotz und um den „Grünen“ zu zeigen, wo diese sie mal können.
Die Realos gibt es aber auch bei der grünen Partei. Und darum wähle ich auch das nächste Mal Grün, wenn ein grüner Kandidat irgendwo zur Wahl steht. Der Dame im Zug habe ich übrigens nichts geantwortet. Es kam mir irgendwie fundimässig vor, sie ungefragt belehren zu wollen…