Massarbeit für die Massen, oder Zug fahren trotz allem

Der Velotransport im öffentlichen Verkehr ist – besonders in den letzten Jahren, besonders in Italien und Österreich, generell aber eigentlich überall in Mitteleuropa, und da ist dann mein Tellerand leider auch schon erreicht bezüglich einschlägiger Erfahrungen – ist also der Velotransport in öffentlichen Verkehrsmitteln ein derart leidiges Thema, dass es nicht ausgerechnet an diesen ohnehin trüben Pfingstfeiertagen hier breitgeschlagen werden soll. Bitte wie? Ach, Sie wollen entsprechende Gebete gen Himmel schicken, wenn Sie schon mal in der Kirche sind? Ja, fahren Sie denn mit dem Velo hin? Na gut.

Hört man sich so in seinem Bekanntnekreis um, dann scheinen sich die meisten Schweizer ihre Meinung über den Velotransport in Zügen allein anhand von SonntagsBlick-Berichten und NZZ-Leserbriefen zu bilden, welche über rabiate Kondukteure, klaustrophobische Platzverhältnisse und tinguelyeske Fahrradbeigen berichten. Man überlege: solche Ereignisse erscheinen genau deswegen in den Medien, weil sie eben selten sind. Würde jeden tag ein Radfahrer aus dem Zug geschmissen, stünde das nicht mal in „20 Minuten“. Weniger gut sind viele Leute auffälligerweise über die Einzelheiten des Velotransportes informiert. Wie man ein Billett löst, beispielsweise, und dass es für Fahrten, die weniger als 12 Franken für eine Person kosten, keine Velo-Tageskarte braucht. Wo die Räder hängen im Zug. Oder dass an sonnigen Sonntagen – hoppla! – gelegntlich auch andere Familien auf den Gedanken kommen, mit dem Zug zu einer Velotour aufzubrechen. Klassische Zugsanfänger eben, die einmal alle sechs Monate (oder ein sechstel Mal pro Monat, was gleichviel ist, aber etwas gar abstrakt klingt) den Zug benützen, dann verständlicherweise etwas falsch machen und sich daraufhin schwören, NIE wieder Zug fahren zu wollen. Schaue ich gerade jetzt, Pfingstsamstag, auf die Autobahn runter, so glaube ich denen aufs Wort.

Es bräuchte also nur etwas Denkarbeit, Flexibilität zeitlicher und geistiger Art sowie ein wenig Erfahrung, und schon könnte man die Vorzüge des Schweizer Transportsystems für Fahrräder in vollen Zügen geniessen:

  • meist gute Zufahrt zu den Bahnsteigen
  • sichere und komfortable Veloabstellanlagen an den grossen Bahnhöfen
  • Veloplätze in den allermeisten Zügen und Kennzeichnung im Fahrplan von Zügen, die das nicht bieten
  • in einzelnen Kantonen fünf Velohaken am Heck jedes einzelnen Postautos
  • ausreichende Transportkapazität zu über 95 % der Zeit
  • detaillierte Bedienungsanleitungen im Internet und in Broschüren

Jetzt aber Schluss, denn noch ist kein roter Heller von irgendwelchen Bahnen an velopflock geflossen. (Und hört auf zu maulen, bloss weil ihr schon mal zu den übrigen 5 % der Zeit euer Fahrrad in den Zug packen musstet; denkt besser darüber nach, warum ihr das gemacht habt und ob es nicht eine Alternative gegeben hätte: Ausweichen auf einen anderen Zug und Kaffee trinken oder selber fahren, zum Beispiel.)

Gestern erst war ein schöner Beleg für die Qualität der Transporteinrichtungen zu beobachten, und zwar in einer S-Bahn:

RhB_VeloNein, da hat niemand einen Wheelie gemacht. Der Zug war einfach zu schmal, um mit einem Smartphone das ganze Velo zu fotografieren; es hängt mit dem Vorderrad an einem Haken. Unter das Hinterrad kann man noch knapp den kleinen Finger stecken. Massarbeit! Der nicht sichtbare Haken allerdings solte etwas weiter sein. Mit einem Mountainbike dürfte man da als Benutzer ebenfalls zu Massarbeit gezwungen sein.

Eher skeptisch muss man wohl gegenüber den neuen Vorrichtungen in den SBB-Zügen sein:

32_SBBPlatzgewinn gibt es da nur für die Passanten, dafür wird es schwieriger, das Velo aufzuhängen. So sieht das jedenfalls aus auf dem Bild (Quelle: velojournal.ch). Man stelle sich eine 1.52 m grosse, leicht betagte E-Bike-Fahrerin vor, wie sie da ihren 20-Kilo-Boliden hochwuchtet! Das ist aber alles nur Spekulation und muss natürlich noch getestet werden. Oder hat jemand da draussen Erfahrungen mit diesen neuen Haken?

Ein Gedanke zu “Massarbeit für die Massen, oder Zug fahren trotz allem

  1. Diese neuen „Haken“ stammen aus dem Großkanton, die werden dort ebenfalls nach Renovierung der Waggon eingebaut. Mit einer Lifthydraulik kombinert könnte das ein großer Wurf werden, so wie es ist, bleibt es ein Haufen Schmarrn. Zugleich: Der Waggon wird gerne mal in seiner Position im Zug verändert. Auf engen Bahnhöfen, wie z.B. Hamburg HBF, eine wahre Freude für Velofahrer und Umwelt…

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